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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 11
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Festing, F.: Studien über Plastik, [8]: die Stein- und Holzskulptur des 12. und 13. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0113

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109

plastische Kunst erheben sollte". (Lübke,
Grundriß d. K.-G. Seite 373.)

Die Skulpturen des 13. Jahrhunderts,
mit welchen die Portale, zum Theil der
schon genannten Kirchen, ans das pracht-
vollste ansgestattet sind, werden wir in
der Reihe der srühgothischen erwähnen.

Im 13. Jahrhundert entwickelte sich in
Deutschland die bildende Kunst zu noch
größerer lokaler Mannigfaltigkeit und zum
Theil zu wunderbarer Schönheit. Anfäng-
lich zeigt sich noch vielfach die frühere
regellose Phantastik, welche das reiche
Ornament durchzieht und das Figurenwerk
mit seinen baroken Gebilden unterbricht.
Beispiele dieser Art bietet die Außenwand
der Chornische zu Schöngrabern in Nieder-
österreich, das Südportal der Magdalenen-
kirche zu Breslau und auch die Haupt-
sa^ade von St. Stephan in Wien. Frei
von diesem phantastischen Zug zeigt sich
das mit reichster Ornamentik ansgestattete
Portal der Klosterkirche zu Tischnowitz.
Mit den gefälligen romanischen Arabesken
verbinden sich bereits die gothisirenden
Blumen- und Blätterguirlanden. Das
Tympanon enthält in echt romanisch-byzan-
tinischer Weise den thronenden Christus
in der Mandorla, die vor ihm liegenden
Donatoren mit den hinter ihnen stehenden
Schutzheiligen, während an der Wand
rechts und links die 12 Apostel meist in
ziemlich mannigfaltig bewegter, antiker
Gewandung und mit realistisch angehauch-
tem Ausdruck der Köpfe stehen. Auch das
schöne romanische Spitzbogen-Portal von
St. Jak in Ungarn sei hier erwähnt. Um
die volle harmonische Wirkung des per-
spektivisch sich vertiefenden, reich dekorirten
Säulenportals durch Einschiebung großer
Figuren nicht zu verdunkeln, versetzte der
Künstler dieselben (Christus und die Apo-
stel) in eigene Säulennischen mit Klee-
blattbögen. Indem er diese Nischen in
entsprechender Terrassenlinie zwischen Por-
talbogen und Giebeldach aus- und ab-
steigen ließ, wurde die Portal - Mauer-
schön belebt und der Eindruck des Ganzen
gesteigert.

Eine verhältnismäßig reiche Ausstattung
im alten Stil zeigt auch die Doppelkapelle
zu Burg Trausnitz bei Landsberg: sitzende
Heiligengestalten in den Nischen der Chor-

schranken, darüber eine Krenzignngsgrnppe,
auch zur Seite der Altarnische Katharina
und Barbara und eine große, überaus
anmnthige Verkündigung; alles ist sorg-
fältig in Stuck gearbeitet, prächtig bemalt
und ähnelt durch den spätromanisch-antiki-
sirenden Stil bcn Werken der sächsischen
Schule. Derselben Richtung gehören auch
die mit Stuck überzogenen Holzstatnen Lud-
wigs des Kellheimers und seiner Gemah-
lin Ludmilla zu Landshnt in der Afra-
kapelle an.

Von strenger Großartigkeit sind noch
die 13 Statuen am Süportale des Domes
zu Münster, im reichen antikisirenden Fal-
tenwurf mit charakteristischen Köpfen, wäh-
rend die Bildnisse des südlichen Portals
des Domes zu Paderborn, besonders die
Madonna mit dem Kinde, eine lebendigere
und weichere Empfindung zeigen.

Eine kleine Entwickelungsgeschichte der
Plastik ans der Uebergangszeit liefern uns
die zahlreichen und interessanten Skulp-
turen des Domes zu Bamberg. Die älte-
sten sind die Hochreliefs der Brüstungs-
mauern des Ostchores, eine Verkündigung
mit schöner, idealer Engelsgestalt und je
12 paarweise zusammengestellte Propheten
und Apostel aus der einen und letztere
sowie der drachenstürzende Michael auf der
anderen Seite. Sie sind durch srühgothische
Arkadennischen abgetheilt, zeigen ein auf-
fälliges Streben nach freierer Bewegung
sowie theils ein ruhiges, theils ein leb-
haftes Pathos in Haltung und Gestiku-
lation — letzteres bei den wie in den
Mysterien im Zwiegespräche anstretenden
Aposteln und Propheten. Die in antiker
Weise faltenreiche, scharf unterschnittene
Gewandung ist um den etwas verrenkten
Körper straff angezogen. Der Ausdruck
der Köpfe ist von individueller Mannig-
faltigkeit. — Im Tympanon des nord-
südlichen Portals sehen wir die erhabene
Himmelskönigin mit reichem spätromani-
schen Faltenwurf, umgeben von Engeln
und Heiligen, letztere in Brustbildern dar-
gestellt; sie zeugen von einem noch mehr
fortgebildeten Streben nach anmuthiger,
formenschöner Durchbildung. Die Bogen-
füllung des nördlichen Thores ist mit dem
letzten Gericht geschmückt: oben ein groß-
artiger Christus, rechts btej Seligen, unter
seinem Throne Auferstehende, links die von
 
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