Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Keppler, Paul Wilhelm von: Was noch zu thun ist, [1]: eine Neujahrbetrachtung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0005

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Archiv für christliche Nunst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst.

perausgegeben und redigirt von Professor Dr. Aeppler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Aeppler.

Mr. i.

Erscheint monatlich einmal. Halbjahrs. für M. 2. 05 durch die württemb. (M. l. 90
im Stuttg. Bcstcllbczirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die Reichspostanstalten,
98 kr. in Oesterreich. Ares. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags
direkt von der Expedition des „Deutschen Bolksblatts" in Stuttgart, llrbansstraße 94
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.

i886.

Was noch zu thun ist.

Eine Neujahrsbetrachtuug.

Bon Prof. Or. Keppler.

Könnte man nicht endlich mit Ermahnun-
gen, Belehrungen, Unterweisungen über kirch-
liche Kunst innehalten und eine kleine, oder-
besser große Pause machen? Ist es nicht
endlich genug mit der ewigen Wiederholung
der alten Regeln und Grundsätze? Weiß
man es nicht allmälig auswendig, daß
der romanische und gothische Stil der kirch-
liche Stil pur excellence ist, und sind
nicht Pläne und Zeichnungen sür romanische
und gothische Kirchenbauten, Altäre, Kan-
zeln , Glasgemälde in Menge und zur
Genüge vorhanden? Ist nicht überhaupt
allmälig genug restaurirt und renovirt?
Und wenn jemand tiefere Studien auf
diesem Gebiet machen will, steht ihm nicht
eine Ueberfülle von herrlich ausgestatteten
Kunstbüchern zu Gebot?

Mit diesen Stoßseufzern ist vielleicht da
und dort unsere Einladung zum Abonne-
ment ausgenommen worden. Wir wollen
diese Seufzer nicht in der Luft verhallen
lassen; sie könnten ein Thnn oder ein
Unterlassen zur Folge haben, welches eine
Schädigung unserer Kunstvereine und Kunst-
organe bedeuten würde. Sie geben uns
überdies Anlaß zu einer Gewissensersor-
schung und Orientirung über Soll und
Haben, Gewinn und Verlust, Pflichten
und Errungenschaften, Vergangenheit und
Gegenwart des kirchlichen Kunststrebens,
welche ja nie nutzlos ist.

Ist es an dem, daß in kirchlicher Kunst
eine allgemeine Uebereinstimmung erzielt
wäre, daß die hier geltenden Grundsätze
allgemein gekannt, respektirt und befolgt
würden, daß einer völlig sicheren und
klaren theoretischen Erkenntniß ein ebenso
sicheres praktisches Thun entspräche? Auch
eine Rechnung, welche die Erfolge der

Kunstbestrebungen seit den vierziger Jahren
in hohen Summen in Anschlag bringt,
kann dies Resultat nicht ergeben.

Wir verkennen diese Fortschritte nicht,
reden aber lieber von dem, was uns noch
fehlt. Es ist wahr, wie sehr sich die
Kenntniß der alten Stile gehoben hat,
das ist allmälig nicht mehr bloß aus
literarischen, sondern auch an steinernen
Denkmälern zu sehen; Werke der Archi-
tektur sind geschaffen worden, welche nicht
bloß Formenähnlichkeit den mittelalterlichen
nahe bringt, sondern welche Wuchs, Antlitz
und Geist ihnen ebenbürtig macht. Aber
daneben —- welch kläglichen Neuschöpfungen
begegnet man nicht immer noch! Welche
Karrikaturen des gothischen und romanischen
Stils! Basiliken, die diesen Namen usur-
piren, aber nicht einen Hauch der Würde
und Majestät der alten Basiliken an sich
haben. Sogenannte romanische Kirchen,
deren Stil ein widerliches Amalgam von
romanischen Formen und Renaissance-
motiven ist. Gothische Bauten, dadurch
entstanden, daß man gothische Zierglieder
und Bauglieder willkürlich durcheinander
schüttelte.

Man kann sich bei Vergegenwärtigung
mancher Neubauten der Ueberzeugung nicht
verschließen, daß es noch Baumeister gibt,
welche nichts davon wissen oder wissen
wollen, daß bei Entwersung eines Planes
der erste maßgebende Punkt die Bedürsniß-
srage ist, der zweite aber die Konstruktions-
srage und daß Schmuck und Ornament
erst hernach in Betracht kommen und nur
soweit in Betracht kommen, als für diesen
Zweck noch Mittel vorhanden sind und
als die Konstruktion dies erträgt und ver-
langt. Wie muß sich aber manchmal die
Bedürfniß-, Konstruktions- und Geldfrage
förmlich verkriechen vor einer allein das
große Wort führenden Renommirsucht und
Eitelkeit, welche mit der Meinung behaftet
 
Annotationen