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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 1
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Keppler, Paul Wilhelm von: Was noch zu thun ist, [1]: eine Neujahrbetrachtung
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [9]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0008

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4

aber der Meister, welche tüchtig sind in
ihrem Fach und zugleich den Geist der
altkirchlichen Malerei in sich ausgenommen
haben, nicht viele. Wenn nun die anderen
sich nicht mit Dekorationsarbeiten begnügen,
oder nicht streng angehalten werden, gute
Kompositionen einfach zu kopiren, wenn sie
mit ihrer modernen Formenwelt und Ge-
dankenwelt sich selbst an heilige Themate
wagen, dann kommen jene traurigen Kunst-
produkte in die Kirchen, die man manch-
mal am kürzesten als Karrikaturen religiöser
Bilder bezeichnen könnte. Dann schafft
die Malerei (wie dürfen die Skulptur auch
gleich beizieheu) Madonnen von der Süß-
lichkeit und Geziertheit unseres Jahrhun-
derts; Heilige, die sichtlich sich in der Kirche
unbehaglich fühlen und ganz wo anders hin-
gehören ; Apostel, bei welchen ein gewisser
Biedermannsausdruck im Gesicht noch als
das Vorzüglichste hingenommen werden muß,
Heiligenfiguren, von denen die weiblichen
das stereotype blöde Lächeln, die männ-
lichen einen unbeschreiblich nichtssagenden
Zug im Gesicht tragen, — photographische
Abbilder der Geistesarmuth ihres Schöpfers.
Und wie werden oft die hl. Scenen miß-
handelt, ihrer Würde und Weihe entkleidet.
Ich sah über den Chorbogen einer großen
Kirche angemalt den Weltenrichter auf dem
Thron; seine einzige Gewandung bestand,
soviel man von unten sehen konnte, in ein
paar kümmerlichen weißen Badhosen. In
einem Friedhof ist ein Bild der Verklärung;
der Heiland hat zum Gewand ein langes,
weißes, sackartiges Hemd. Den Tod des
hl. Joseph sah ich irgendwo in der Weise
geschildert, daß der Heilige in der ver-
tracktesten Lage am Boden liegt, das Haupt
im Schooß Jesu, so daß der erste Gedanke
des Beschauers sein muß: welche Grau-
samkeit, einen Sterbenden so erbärmlich
daliegen zu lassen! In einer großen, mit
vielem Geld restaurirten Kirche stellt das
jedenfalls kostbare Altarblatt St. Joseph
auf dem Wolkenthron dar; unten knieen
Vertreter aller Stände, Päpste, Kardinäle,
Könige, Greise, Kinder, Arme, die ihr
Auge nach oben wenden, folgend der Mah-
nung eines Engel: ite ad Joseph. Das ist
also ein allegorisches Bild, das St. Joseph
als Helfer in aller Roth, als patronus
omnium feiert, und es ist nicht ohne allen
Schwung der Gedanken und Formen. Der

Meister wollte nun aber auch die von
St. Joseph ausgehende Hilfe im Bild zur
Darstellung bringen; dazu wird eine zweite,
links voll St. Joseph schwebende Engel-
gestalt verwendet, welche aus einem Sack
wahrhaftige, frischgebackene, schmackhaft ge-
malte •— Semmelwecken aus das arme
Volk niederwirft, — eine komische Ver-
mählung von Allegorie und Realismus!
—- Eine seltsame, ebenfalls von moderner
Gedankenblässe angekränkelte Chorbogen-
verzierung ist in einer anderen Kirche zu
sehen, lieber dem Scheitel des Chorbogens,
thront Christus; je drei Engel zu beiden
Seiten bilden den Hofstaat; zwei von
diesen Engeln knieen nun gerade auf der
steilen Wölbung des Chorbogens, — also in
absolut unhaltbarer Haltung; es schwindelt
dem Aug, wenn man sie sieht, man meint
sie jeden Augenblick herabstürzen und am
Fußboden zerschellen zu sehen. Diese zwei
Engel halten Leuchter, die vier andere
Kelch, Patene, Stola und Meßgewand.
Was hat sich wohl der Maler odgr Be-
steller dieser Bilder hiebei gedacht? Was
sollen diese Requisiten des eucharistischen
Opfers da oben? Was bedeutet das, daß
die Engel sie dem Heiland entgegenhalten?
Der symbolische Gedanke: Christus ipse
sacerdos, wenn er vielleicht obschwebte,
hätte hier doch seltsamen Ausdruck gefunden.
—- Eine Analogie zu den abschüssig knie-
enden Engeln bilden in einer anderen Kirche
Hirsche, welche den Chorbogeu hinauf-
springen, dem Lamm entgegen. Diese Hirsche
stehen oder springen nicht etwa auf einem
Wiesengrund, sondern auf der scharfen mit
keinerlei Bordüre umsäumten Kante des
Chorbogens; auch diese Hirsche müssen in
der nächsten Minute herabstürzen und den
Fußboden mit ihrem Blut röthen. So rächt
sich die Verletzung der obersten Gesetze
der Ornamentik, welche vor allem eine
kräftige Betonung so hervorragender Bau-
glieder verlangen. (Fortsetzung folgt.)

Die Musterschule der monumen-
talen Malerei.

Von Prof. Df. Keppler.
(Fortsetzung.)

Doch finden sich in Duccio's Altarbild
viele schöne Einzelgedanken und Einzelzüge.
 
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