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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 1
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [9]
DOI Artikel:
Relpek, Eugen: Wie man baut, wo man kein Geld hat
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0013

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9

Helsershelferinnen, von Grausamkeit, Ver-
rath, Wuth, Zwietracht, Krieg, umschwebt
von Augeulust, Fleischeslust, Hoffart des
Lebens. Die Gerechtigkeit liegt gefesselt zu
den Füßen der Tyrauuin, in namenlosem
Jammer das Haar zerraufend.

Bei Beurtheilung dieser Bilder muß man
zugestehen, daß auch ihre Hauptschwäche
in der Anordnung liegt. Die Scenen und
Figuren sind theils aneinander gereiht, wie
die Lehrsätze eines Schulbuchs, theils un-
vermittelt lediglich äußerlich aneinander
geheftet. Ein gewisser steifer Doktrinaris-
mus oder ein willkürliches Nebeneinander
muß die weiche Einheit einer eigentlich
künstlerischen Komposition ersetzen. Auch
weht uns die allegorische Luft fremd an,
welche die geistige Atmosphäre dieser Dar-
stellungen bildet. (Fortsetzung folgt.)

Wie man baut, wo man kein
Geld bat.

Zum Fingerzeig, wie man es (natürlich
rnutatis mutandis) angehen soll, um mit
wenig Mitteln ein zwar kleines, aber zweck-
mäßiges und gegen Wind und Wetter ge-
schütztes Gotteshaus herznstellen, zugleich
zum Ehrendenkmal eines Baumeisters, der
sich selbst kein Denkmal setzen wollte und
der es nicht verschmähte, das unscheinbare
Kind aus der Taufe zu heben, r) habe ich
diese anspruchlose Geschichte des anspruch-
losesten Baues niedergeschrieben. Einfach-
heitshalber sind die gegen das Projekt
erhobenen Bedenken sämmtlich dem Bau-
komite in den Mund gelegt, was letzteres
nicht verdrießen darf, da diese Bedenken
jedem weniger gescheiten Konnte in der
That aufgestoßen sein würden.

„Unser Gesuch um Mitbenützung der
Gottesackerkirche ist abgewiesen; der Saal,
in welchem wir Gottesdienst halten wollten,
ist für ungenügend erklärt; die Räumlich-
keit im Schlosse, welche wir zur Kapelle
umbauen wollten, ist uns endgiltig ver-
weigert worden, und zwar wegen der
Schwierigkeit, dieselbe gegen die angrenzen-
den Magazine in feuersicherer Weise ab-
zuschließen, da für den Gottesdienst neben

0 Des Herrn Oberamtsbaumeisters Mayr in
Neuenbürg.

dem ewigen Licht auch Kerzen bei Tag und
Nacht gebrannt werden und ferner glühende
Kohlen zu den Weihranchkesseln erforder-
lich sind."

, Diese Mittheilung war nicht geeignet,
das Konnte für Einrichtung eines katho-
lischen Gottesdienstes in Neuenbürg in
fröhliche Stimmung zu versetzen. „Also
abgewiesen! Durchgefallen! Mehr als
ein Menschenalter warteten wir ans die
Errichtung der Nachbarpfarrei, von wo
uns Hilfe kommen sollte, und nun, da
sie errichtet, und der Geistliche bereit ist
tins ans drei Stunden Entfernung regel-
mäßig zu besuchen, nun fehlt uns das
Lokal! So sind denn alle Pläne ge-
scheitert!" . .

Alle, fiel der Vorsitzende ein, der sich
die Fassung nicht hatte rauben lassen, alle,
nur der Hauptplan nicht, zu dessen Ge-
lingen diese vergeblichen Schritte noth-
wendig waren: dieser ist jetzt seiner Ver-
wirklichung nahe! Sehen Sie, fuhr er fort,
wären wir gleich von Anfang, solang noch
andere Wege offen standen, mit dem Ge-
danken eines Neubaues herausgerückt, sicher-
lich man hätte es uns als Uebermuth an-
gerechnet. Wir mußten es erst mit der
zerfallenen Gottesackerkirche und mit dem
leerstehenden Lokal im Schloß versuchen,
so wenig wir ernstlich gewillt sein konnten,
diese gar nicht uns gehörigen Räume mit
thenrem Gelde nothdürftig herzustellen.
Jetzt aber, nachdem alle Möglichkeiten er-
schöpft, jetzt können wir frei uns bewegen
— wir bauen!

Es wäre schwer, die Wirkung zu schil-
dern, welche dieses Wort hervorbrachte auf
ein Baukomite, das seinen Namen bis jetzt
nur a non aedificando trug. Der Rechner
starrte in seines Nichts durchbohrendem
Gefühl auf feine Kasse; der Baumeister
warf einen verzweiflnngsvollen Blick auf
einen vor ihm liegenden Plan, dessen Aus-
führung 20 000 M. gekostet hätte; der
höchstbesteuerte N. N., der seinen guten
Willen schon wiederholt durch die klingende
That bewiesen, klopfte krampfhaft an feine
Taschen; das drohende Medusenhaupt einer,
wie sie meinten, unvermeidlichen und für
die kleine Gemeinde unerschwinglichen Bau-
schnld hatte alle wie versteinert. Endlich
saßte sich der Rechner und murmelte:
„Ba-u-en! — und mit was?"
 
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