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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 1
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Relpek, Eugen: Wie man baut, wo man kein Geld hat
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0015

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11

Bauwesen wird von Seite des Gemeinde-
raths die Erlaubniß der Verschindelung
leicht zu erlangen sein." „Leichter jeden-
falls als von Seite der Oberbehörde die
Erlaubniß zum Bauen und zu einem so
absonderlichen Bau!"

Diese zu erlangen, m. H., liegt in unserer
Hand. Geben wir zum guten Zweck so-
viel als unsere Armuth erlaubt; bieten wir
das Geld zum Ankauf des Bauplatzes,
natürlich unter der Bedingung, daß man
auf unsere Vorschläge entgeht; ich versichere
Sie, die Behörde wird sich der Einsicht
nicht verschließen, daß bei so eigenartigen
Verhältnissen wie die uusrigen, auch eigen-
artig gebaut werden dürfe.

Und sie verschloß sich nicht. Sie ver-
wiegte sogleich 3500 M.: eine unbedeu-
tende Summe, wenn verschwendet worden
wäre, wie da und dort verschwendet wurde
— so schon über die Hälfte des Baufonds!
Eine allgemeine Kirchenkollekte war nun
nicht nöthig. Unser Appell au die nie ver-
siegende Mildthätigkeit der Gläubigen und
unsere Bitte um Beiträge aus dem Ver-
mögen der einzelnen Landkapitel trug so
reiche und rasche Früchte, daß in kaum
11/2 Jahren nicht nur die 5000 M. für
den Rohbau, sondern für den Jnneubau
noch mehrere Tausend zusammen kamen.

Nur die Verschindelung stieß aus uner-
wartete Schwierigkeiten. Das Bedürfuiß,
die Abgelegenheit des Kirchleins, die That-
sache, daß die Stadt damals auch das
obere Stockwerck ihres Kirchthurms ver-
schindelte: all das fand keine Berücksichti-
gung. Man leugnete das Bedürfuiß (indem
die Balken des Thurms 90 Jahre ge-
braucht, bis sie verfault gewesen!); man
erklärte eine verschiudelte Kapelle für eine
Verschimpsierung eines „werdenden Stadt-
theils" und stellte die angrenzenden Be-
sitzer zwar nicht in ihren jetzigen (weil
keine da waren), aber in ihren künftigen
Bauten als beuachtheiligt dar — bis end-
lich das Ministerium beide Theile ver-
blüffte durch die Entscheidung, daß nicht
bloß die erforderlichen drei; sondern alle
vier Seiten der Kapelle verschindelt werden
dürsten!

Dank diesem Salomonischen Urtheil steht
nun das Kirchlein wie aus Einem Guß
und trotzt den Stürmen und läßt sich an

Haltbarkeit nur von einem Steinbau be-
siegen, dem es auch aus einiger Entfernung
ähnlich ist. Es ist ein Parallelogramm
von 12 m Länge und 7 m Breite: ein
Verhältnis;, das sogar die Verdoppelung
der Länge gestattet, ohne daß eine Unsorm
entsteht. Die Absis wurde, weil nicht
nöthig und zur Einfachheit eines Holz-
baues nicht passend, weggelasseu. Ein
Thürmchen, in welchem die Giebelfront eine
Höhe von über 10 m erreicht, ist äußer-
lich, der einzige Luxus. Eine zur Seite
stehende Pappel vertritt die Stelle des
Campanile. Das Innere ist hell und hin-
länglich geräumig. Die den Jnnenraum
des Dachstuhls ausnützende Decke erhebt
sich 6,30 m. Sie wird durch die sauber
gearbeiteten Durchzüge aus Holz, welche
den Bau zusammeuhalten, belebt und in
Felder getheilt, die mir den Leidenswerk-
zeugen des Herrn und den Emblemen der
lauretanischen Litanei geschmückt sind. Der
Altar mit Tabernakel, überragt von einer
schönen Kreuzesgruppe, läßt nichts zu
wünschen übrig. Darüber erglänzt (zum
Ersatz der in den geradlinig abschließenden
Kirchen so häufigen Rosette) ein gemaltes
Ruudsenster von 1 m Durchmesser, das
Brustbild Christi darstellend, wie er den
Kelch und die Hostie in Händen die Müh-
seligen und Beladenen zu sich ruft. Auch
die übrige Einrichtung zeugt von Geschmack
und verräth keine Armuth.

Die anfängliche Klage über das un-
scheinbare Aeußere ist vor der allgemeinen
Freude über das ansprechende Innere längst
verstummt. Auch die Befürchtung, das
Kirchlein könnte einen werdenden Stadt-
theil stören, ist nicht eingetroffen; denn 1.,
wird dieser „werdende Stadttheil" immer-
noch nicht und 2., paßt dieser Bau so
vortrefflich an den Ort und in die Gegend
hinein, wo er steht, als wäre er immer
dort gestanden. Von einer Verunzierung
ist also keine Rede. Sollte desunge-
achtet einmal eilt Eriticns moränx vom
hohen Olymp seines künstlerischen Ge-
schmackes herab die Unscheinbarkeit dieses
Kirchleins verdonnern wollen, so halte er
seiit Urtheil nur wenigstens so lang zurück,
bis er die Baurechnung gelesen. Und hat
er sie gelesen unb annerkennt dann, daß
hier mit den bescheidensten Mitteln nicht
gerade Unpraktisches und Unschönes ge-
 
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