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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 2
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Keppler, Paul Wilhelm von: Was noch zu thun ist, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0017

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Archiv für christliche Kunst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst

kstrausgegeben und redigirt von Professor Nr. Ueppler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözesan-Runstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Koppler.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die württemb. (M. t. 00
im Stuttg. Bcstellbczirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die Rcichspostanstalten.

— 98 ir. in Oesterreich, Frcs. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden y Q Q/T

» auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags lOOU,

direkt von der Expedition des „Deutschen Bolksblatts" in Stuttgart, Urbansstrahc 94
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.

Vas noch 511 thun ist.

11.

Mau kann die Erfahrungen, welche inan
bei Prüfung der Kirchen eines Landes oder
einer Gegend macht, in das Resultat zu-
fammenfassen, daß bei allein, was man da
und dort Schönes und Entsprechendes an
kirchlichen Kunstwerken zu sehen bekommt,
mail doch ziemlich viele Kirchen besichtigen
illuß, ehe man Eine steht, welche in allem
ein knnstgebildetes Auge befriedigen, oder
auch nur billigen Ansordernngen entsprechen
würde. Hier moderne Kirchenbauteil, ver-
zwickt und verkünstelt, ohne harmonisches
Verhältnis; zwischen Chor lind Langhaus,
zwischeil Läilge und Breite, zwischen Breite
uild Höhe, Bauten, deren Anblick allss
Herz drückt, wie der Anblick eines ver-
wachseneil und verkrüppelteil Menschen.
Dort Altäre, bereit ärmlichster und ver-
wahrlostester Theil der Tabernakel ist; hier
ein nagelneuer Hochaltar, dessen Taber-
nakel ein Metallhans ist, slankirt aus beiden
Seiteil von künstlich zubereiteten Marmor-
selsen , ans welchen thönerne Engel, fast
so hoch wie der Tabernakel, anbetend
knien! Hier Kirchenstühle, in welchen kein
Meilsch knien kann, Folterwerkzeuge, von
raffinirter Phantasie ersonneil, tun eine
ganze Gemeinde durch Jahrzehnte hin-
durch zli quälen und ihr den Aufenthalt
in der Kirche zu verleiden; dort Beicht-
stühle von denselben glücklichen Dimen-
sionen , in welchen der Pönitent nicht
kilien, der Geistliche nicht sitzen kann,
ohne das Kreuz zll brechen, oft wahre
Festungswerke, wie für beit Gebrauch
im Krieg bestimmt, oder mit einer Pracht
überladen, die mit ihrer Bestimmung völlig
kontrastirt. Hier Malereien, welche der
Architektur ins Antlitz schlagen, schöne
Bauglieder, hervorragende Bantheile ganz
ignoriren, in anmaßender Selbstherrlich-

keit anftreten, oder wieder wie Spinn-
gewebe sich anhängen und in den Ban
einnisten. Dort ein Taufstein aus Mar-
mor, über welchem ein sechskantig auf-
gewalmter Deckel paradirt, der ans einer
über Leisten aufgezogenen, weiß an-
gestrichenen Haut besteht. Hier Fenster,
aus welchen unheimliche Banditengestalten
schreckhaft in die Kirche hereinsehen, welche
eben einen Pack Kleider gestohlen und sich
damit drapirt haben. Dort das Innere
luxuriös mit geleckter Farbendekoration
neu ansgekleidet, während man außen die
Fundamente weichen und zerbröckeln sieht;
hier haben die Baßgeigenmeßgewänder
wieder fröhlichen Einzug gehalten; dort_

Doch beschließen wir diese betrübende
Aufzählung, welche fast in infinitum fort-
gesponnen werden könnte. Ich brauche
wohl nicht ausdrücklich beiznsügen, daß alle
die angeführten Fälle nicht imaginär,
sondern leider Wirklichkeiten sind, daß diese
traurigen Wirklichkeiten nicht etwa aus
den dreißiger, sondern ans den achtziger
Jahren stammen; die dazu gehörigen Orts-
namen sind ans Rücksicht nicht beigesetzt wor-
den. Für unseren Zweck sind die Beispiele
genügend; sie beweisen nur zu sehr, daß
die Zeit noch nicht gekommen ist, wo die
Kunstvereine und Knnstorgane ihre Thätig-
keit einstellen und von den Renten ihrer
Erfolge leben könnten.

Warum trotz des Aufschwungs des kirch-
lichen Knnsteifers, trotz des Fortschritts
in der Stilknnde und in Kenntniß dessen,
was kirchliche Norm und Tradition ist und
was das kirchliche Bedürfnis; verlangt,
trotz der massenhaften Verbreitung guter
Muster und Vorlagen ans alter und neuer
Zeit doch verhältnißmäßig so viele verfehlte
Kunstprodutte neueren Datums die Kirchen
verunzieren, manche Kirchenbanten hinter
den vor 30 und 40 Jahren aufgeführten
noch znrückstehen, diese Frage würde Stofs
 
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