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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 2
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Keppler, Paul Wilhelm von: Was noch zu thun ist, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0019

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15 —

Architekt gerne fügen. Wer sich ihr nicht
fügt, von dem soll abgesehen werden, oder
man ziehe ihn nur dann bei, wenn er
kontraktlich sich verpflichtet, keine Ent-
schädigung zu beanspruchen, falls seine
Pläne nicht zur Ausführung kommen oder
einer Abänderung bedürfen.

Ferner wird häufig der Fehler begangen,
daß man aus falschen Sparsamkeits-,
Verwaudtschafts-, Orts- und andern rein
weltlichen Rücksichten immer wieder selbst
wichtige und schwierige Aufträge in un-
fähige Hände spielt. Wir wollen kein
Monopol für diesen und jenen Meister
einführen; aber es soll niemand eine kirch-
liche Arbeit in die Hand bekommen, ehe
er bewiesen, daß er sich in die kirchliche
Kunst eingelernt und schon einigermaßen
sich praktisch erprobt hat. Jüngere, noch
unerfahrenere Künstler überläßt man oft-
mals viel zu sehr sich selbst, anstatt ihnen
zur Pflicht zu machen, tüchtige Originale
aus alter Zeit einfach nachzubilden, oder
zum mindesten ihre Entwürfe fachmännischer
Prüfung zu unterbreiten. Eine Erbfeindin
allen Fortschrittes ist aber namentlich die
Kritik, oder vielmehr die kritiklose Verlob-
hndelnng, welche alle, auch die verfehltesten
Kunstarbeiten, die in Kirchen geliefert
werden, in der Tagespresse nicht etwa in
Schutz nimmt, sondern in den dritten
Himmel erhebt. Wir kennen ja den Ur-
sprung solchen übergroßen Wohlwollens.
Wenn in einer Gemeinde Hunderte aufge-
wendet wurden, um dies und jenes in der
Kirche zu restauriren oder neu zu beschaffen,
so glaubt man in der heutigen Zeit der
Publizität nicht davon schweigen zu können,
sondern die Opferwilligkeit der Gemeinde
öffentlich rühmen zu sollen; damit verträgt
es sich natürlich schlecht, wollte man das
theuer Bezahlte als verfehlt bezeichnen oder
bemängeln. Wenn dann aber um jeden Preis
die Sache an die Glocke der Oeffentlich-
keit gehängt werden muß, so könnte man
sich doch wenigstens mit einigen leisen
Schlägen dieser Glocke begnügen, anstatt
sie zu läuten, wie wenn ein Weltwunder
anzukündigen wäre; man begnüge sich mit
einer einfachen Beschreibung und enthalte
sich des Urtheils, wenn man keines hat
oder sein inneres Urtheil nicht ausznsprechen
wagt. Die solche Anpreisungen schreiben,
haben wohl meist keine Ahnung davon,

in welch' empfindlicher, folgenschwerer Weise
sie die Sache der kirchlichen Kunst schädigen.
An Beispielen könnte man es Nachweisen,
wie manchem jungen Künstler, in welchem
vielleicht ursprünglich etwas Tüchtiges steckte,
schon am Anfang seines Schaffens der
Kopf durch solch übermäßiges Lob völlig
verdreht wurde, so daß er von da an an
seine Vollkommenheit und Meisterschaft wie
an das oberste Dogma glaubte, für keinen
Rath und keine Belehrung mehr zugänglich
war, ein weiteres Lernen für Sünde an-
gesehen hätte, und mit Unfruchtbarkeit ge-
schlagen blieb, oder, was noch schlimmer,
mit Fruchtbarkeit an häßlichen Gebilden,
die ihres Vaters Aufgeblasenheit und Hohl-
heit spiegeln.

Wir wollen gewiß kein kleinliches Bevor-
mundungs- und Ueberwachungssystem den
wahren Künstlern und ihrem Schaffen
gegenüber ins Leben rufen, noch weniger
die Auktorität und das Ansehen tüchtiger
Meister — und wir haben, Gott Lob!,
solche in allen Branchen — herabsetzen und
das Vertrauen auf sie wankend machen.
Die Meister von Gottes Gnaden werden
vielmehr vor allen uns dankbar sein, daß
wir ihre Ehre gegenüber Pfuschern zu
wahren suchen; die größten Meister sind
in der Regel auch jene, welche einer ver-
nünftigen Einrede unb Vorstellung am zu-
gänglichsten sind und welche am meisten
es wünschen, daß der Klerus, mit dem sie
zu thun haben, auf dem Gebiet kirchlicher
Kunst orientirt sei. Auch sie werden uns
unbedingt zugestehen, daß jetzt nicht Feit
ist, zu ruhen und innezuhalten, sondern
die gewonnenen Positionen zu vertheidigen
und dem Unverstand und der Unklugheit
immer mehr Terrain abzugewinnen.

Zu all' dem kommt hinzu, daß gegen-
wärtig in der kirchlichen Knnstwelt der
Luftstrom einer neuen geistigen Bewegung
von nicht zu unterschätzender Bedeutung
deutlich wahrznnehmen ist. Jede derartige
Bewegung ist an sich zu begrüßen; denn
sie bekundet Leben und schafft Leben. Aber
jede solche Bewegung ist auch eine Art
Krisis, welcher man zu günstigem Verlauf
zu verhelfen suchen muß. Eine weitherzigere
Anschauung bezüglich der kirchlichen Stile
bricht sich allmälig Bahn. In weiten und
maßgebenden Kreisen fühlt man die Pflicht,
das Interdikt aufzuheben, welches im
 
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