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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 2
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Keppler, Paul Wilhelm von: Was noch zu thun ist, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0020

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IG —

Namen der wahren kirchlichen Kunst lange
Zeit ans dem Renaissancestil lastete, und
man hat von kompetentester Seite aus die
Erfüllung dieser Pflicht energisch in An-
griff genommen. *) Wir haben seit längerer
Zeit die Anschauung verfochten, daß allen
edlen, reinen, charaktervollen und geistig
bedeutsamen Kunstformen, welche als solche
der christlichen Weihe fähig sind, der Ein-
tritt in die Kirche, die Aufnahme in den
Dienst Gottes und in die Nähe des Aller-
heiligsten nicht verweigert werden dürfe,
welchem Stil und welcher Zeit auch diese
Formen angehören mögen. Daß der
Renaissancestil keine Elemente der genannten
Qualität habe, kann wahrlich nicht gesagt
und daher auch dieser Stil nicht zum voraus
als nnkirchlicher gebrandmarkt werden.
Bleibt ja selbst im Zopf- und Barockstil,
neben dem geist- und gedankenlosen, oft
sinnlich üppigen, ja indecenten Formen-
spiel, welches als solches allerdings un-
tauglich ist, Kunstsprache der Kirche zu
sein, ltnb somit ans der Kirche verbannt
werden muß, immerhin noch vieles gute
und ächte Metall, welches die kirchliche
Kunst für ihre Zwecke verarbeiten kann.
Eine solche wahrhaft katholische Kunst-
anschauung wird, so hoffen wir sicher, aus
der gegenwärtigen Bewegung als Siegerin
hervorgehen.

In einigen Sätzen können wir unfern
Standpunkt in der obschwebenden Frage
charakterisiren. Was die theoretische 'Seite
derselben anlangt, so wünschen wir sehn-
lichst, daß eine gewisse Engherzigkeit, welche
in der katholischen kunstgeschichtlichen For-
schung nicht zu verkennen ist, mehr mib
mehr schwinde und einer freieren, groß-
herzigen, ächt katholischen Auffassung Platz
macht. Mit apriorischem Mißtrauen ist
man vielfach an die ganze kirchliche Kunst
nach Ablauf der gothischen Periode heran-
getreten; auch ihre herrlichsten Erzeugnisse,
welche man selbst zum theil zu bewundern
nicht umhin konnte, legte man in die Folter
des engherzigsten Ideals von kirchlicher

Auf bie tüchtigste diesbezügliche Arbeit werden
wir noch besonders 511 sprechen kommen; sie hat
zum Verfasser de» gelehrten und kunstsinnigen
Redakteur des „Kir'chenschmucks" (Organ des
Kunstvereins der Diözese Seckau), den k. k. Kon-
servator Johannes Graus, und führt den
Titel: d i e k a t h. Kirche und d i e R c u a i s s a n c e.
(Im Selbstverlag des Vers., Graz, 1885.)

Kunst, um ihnen daS Geständuiß der Un-
kirchlichkeit abzunöthigen. In diesem pein-
lichen Gerichtsverfahren lag eine große
Grausamkeit und Ungerechtigkeit; die durch
die Folter entpreßten Geständnisse waren
oft nichts weniger als wahr. Dieses
Wüthen wurde zu einem Wüthen gegen
die heilige kirchliche Kunst selbst; ihre
ureigenen Kinder, welche ihre Muttermilch
getrunken und ihre Züge im Antlitz trugen,
wurden vor ihren Augen weggerissen und
als Hexen verbrannt, die alles Gottes-
uud Christusglaubens bar wären ititb nur
mit höllischem Zauber sich gefeit hätten.
Nun soll gewiß nicht geleugnet werden,
daß viele Erzeugnisse des Renaissancestils
und der späteren Stile unwürdig, unheilig
und unkirchlich genannt zu werden ver-
dienen; ihnen stehen aber solche gegenüber,
welche als edel, würdig, wahrhaft religiös,
daher auch kirchlich unbedingt anzuerkennen
sind. Unsere Forderung ist demnach: weder
verwerfen in Bausch und Bogen, noch
billigen und adoptiren in Bausch und Bogen,
sondern prüfen und entscheiden von Fall
zu Fall; man freue sich aufrichtig über
alles, wogegen man mit Recht eine An-
klage und einen Verdacht nicht erheben
kann, und rechne das unbedingt zur großen
Kunstwelt der Kirche, welche zu schmälern
wir ja wahrlich kein Interesse haben.

Und nun die praktische Seite der Frage.
Daß die kirchliche Kunstbewegung, die
besonders seit beit fünfzigern Jahren so
mächtigen und segensreichen Aufschwung
nahm, wenn man will einseitig am roma-
nischen und gothischen Stil festgehalten und
im wesentlichen sich auf diese Stile be-
schränkt hat, das ist niemand zum Vorwurf
zu machen. Das war vielmehr unbedingt
nothwendig. Ohne die weise Beschränkung
auf diese Stile, welche jeder als die feiust-
ausgebildeten Organe des christlichen Ge-
dankens anerkennen muß, welche außer
Berührung standen mit jenen geistigen
Strömungen, die unleugbar allmälig über
die Hauptprinzipien kirchlicher Kunst Ver-
sandung und Vergessenheit gebracht hatten,
wäre man nie zu diesem sichern Gefühl
gelangt für das, was das Wesen christlicher
Kunst ansmacht, hätte man nie so feste
Positionen in allen Haupt- und Grund-
fragen gewonnen. Nun aber diese ge-
wonnen sind, so glauben wir dagegen
 
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