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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 2
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Keppler, Paul Wilhelm von: Was noch zu thun ist, [2]
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0021

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17

vemonftviven zu sollen, daß mau jene weise
Selbstbefchränkung als eilt absolut für alle
Zeiten verbindliches Gesetz geltend mache.
Mit derselben Entschiedenheit werden wir
aber auch dagegen ankämpfen, daß man,
wozu die jeder derartigen Bewegung inne-
wohnende Neigung zum Extremen verleiten
könnte, nunmehr den romanischen und
gothischen Stil irgendwie abschätzig behandle,
sie außer Kurs zu setzen suche oder an
den späteren Stilen unterschiedslos alles
gutheiße. Dadurch würde anss neue un-
selige Verwirrung angerichtet.

Im einzelnen sind wir weder für Nie-
derreißung von Renaissancekirchen, auch
wo sie möglich wäre, noch für Erbauung
von solchen; fürs erstere nicht, weil wir,
wie gesagt, diesen Stil nicht als innerlich
nnkirchlich ansehen können; fürs zweite
nicht, weil wir nicht glauben, daß die
Kenntniß der kirchlichen Renaissance
schon soweit gediehen ist, daß man Tüch-
tiges in ihr zu leisten vermöchte. Daß in
romanische und gothische Kirchen nicht
Renaissance-Altäre rc. gestellt werden, ist
selbstverständlich. Was aber die Ausstat-
tung von Renaissance-Kirchen mit Altären,
Kanzeln, Chorstühlen, malerischem Schmuck
anlangt, so sehen wir nicht ein, warum es
verboten sein sollte, hier selbst vom Renais-
sancestil Gebrauch zu machen. Der Ueber-
wachung und einer sorgfältigen Auslese
bedarf es hier allerdings. Nicht alle For-
men der Renaissance, namentlich der deut-
schen, sind schön, würdig und nachahmens-
werth, so wenig als alle Formen der Spät-
gothik. Namentlich muß auch gewarnt wer-
den, daß man die profane Renaissance ohne
weiteres in die Kirche übertrage; ein Altar
soll nicht an den altdeutschen Büffetschrank
erinnern. Für ornamentale Dekoration
bietet die Renaissance so herrliche Motive,
daß es schade wäre, wenn sie nicht in der
Kirche zur Anwendung kämen; für figura-
tive Malerei im Renaissancestil haben wir
in Italien klassische Vorbilder. In Zopf
und Barock werden wir keine neuen Werke
ausführen; dagegen ist der Erhaltung guter
Werke dieses Stils mit Nachdruck das
Wort zu reden. Altäre dieses Stils wer-
den oft nur einer Reinigung, der Zurück-
schneidung der überwuchernden Formen, der
Entfernung des Geschmacklosen, Ueber-
ladenen oder Jndecenten, wir wollen sagen

einer Veredlung bedürfen, um ihres
Berufes würdig zu sein und an ihrer
Stelle belassen werden zu können. Wenn
die Kunstbewegung der letzten Jahrzehnte
in etwas gefehlt hat, so war es die oft
rücksichtslose Entfernung und Zerstörung
derartiger Werke und ihre Ersetzung mit
anderen, welche ihre Berechtigung, ans den
Trümmern der alten sich zu erheben, oft
keineswegs genügend Nachweisen konnten,
vielmehr oft zweifellos schlechter und cha-
rakterloser waren als die verdrängten, trotz
des gothischen Stils, dem sie anzngehören
afsektirten. Aber wo Reinigung nothwen-
dig ist, soll sie auch eintreten; der un-
schöne Zopf soll abgeschnitten werden und
man soll nun nicht wieder alles anstän-
dig und schön finden wollen; daher sind
wir zwar einverstanden, wenn irgendwo
Zopfaltäre ans Marmorftnck von grandio-
sem Aufbau belassen und wieder ansge-
schlissen wurden; wenn aber die auf dem
oberen Giebel sitzenden hexenartigen Engel,
die ihre langen nackten Beine in die Kirche
Hereinstrecken, nun ebenfalls belassen und mit
weißer Oelfarbe fettglänzend neu angestrichen
wurden, so loben wir das nicht. Auch der
Unverstand kann nicht gebilligt werden, daß
irgendwo Stuckaltäre gewaschen und ab-
gerieben, dann anstatt der Politur — mit
Oelfarbe angestrichen wurden! Eine schreiende
Versündigung gegen das Material! —
Diese Andeutungen mögen einstweilen
genügen. Wir haben diesen letzten Punkt
von weittragender Bedeutung hier nur zur
Sprache gebracht als weiteren Beweis, daß
für kirchliche Knnstvereine und Knnstorgane
keineswegs bloß mehr eine Zeit der Nach-
lese und Nachernte auf abgeherbftetem
Weinberg, auf herbstlichem Feld, sondern
eben gegenwärtig wieder eine Zeit neuen
Pflügens, Säens lind Erntens ist. Möge sich
unser Leserkreis durch treue Unterstützung
unserer Blätter und bitvcf) Zuwendung seines
vollen Interesses an dieser großen Arbeit
der Zukunft betheiligen! —

Die Musterschule der monumen-
talen Malerei.

Bon Prof. Dr. Keppler.
(Fortsetzung.)

Allein gleichwohl ist die Tiefe der Ge-
danken, der noble, fein charakterisirende
 
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