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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 3
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [11]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0033

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29

der Welt. Im Jahre 1200 hatte der
Erzbischof Ubald von einem Kreuzzug fünf-
zig Schisfswagenladungen heiliger Erde vom
Berg Golgatha mitgebracht als Ruhelager
für die Gebeine der christlich Abgeschiede-
nen; 1278 umzog Giovanni Pisano das
große Rechteck des Gottesackers mit einem
Kreuzgang. Rach außen ist er durch eine
massive, durch Lisenen und Bögen geglie-
derte Mauer geschlossen, welche die Ruhe
der Todten wahrt und den Ernst des To-
des verkündigt; nach innen öffnet er sich
in weiten Arkadenbögen, nach Art der
Klosterkreuzgänge; gedeckt ist er durch einen
offenen hölzernen Dachstnhl.

Dieser Kreuzgang ist eine der ehrwür-
digsten und ergreifendsten Stätten mittel-
alterlicher Malerei. Die Innenwände der
großen Umfassungsmauern sind in ihrer
ganzen Ausdehnung mit Fresken ausge-
stattet, deren Ruhm den Glanz ihrer Farbe
überdauert hat. Die sechs Jahrhunderte,
welche über sie hingegangen, haben viel
an ihnen zerstört und verwittert; der Tod,
dessen Stätte sie schmücken, ist bis zu ihnen
heraufgedrungen; aber jetzt noch leuchtet
aus ihnen fröhlich ernstes Glaubensbewußt-
sein, lichtverklärte Hoffnung auf ewiges
Leben.

a) Im Unterschied von den heutigen
Kunstschriftstellern glauben wir, daß in
der Reihe der Gemälde ein bestimmter
Plan waltete, welchen wir nach Vorfüh-
rung der einzelnen Bilder zeichnen wollen.
An der Ostwand, mit welcher wir gleich
den meisten Beschreibern und Reiseführern
beginnen, ist dargestellt die Kreuzigung,
Auferstehung und Himmelfahrt, von Va-
sari fälschlich dem Buffalmaco zugeschrie-
bene, aus dem Ende des 14. Jahrhunderts
stammende Bilder, deren Meister nicht mehr
genannt werden kann; im 17. Jahrhun-
dert wurden sie stark übermalt. Sie sind
nicht gerade hervorragende Leistungen der
Schule GiottOs, zeigen allerdings mitunter
eine kraftsvolle Affektsschilderung, aber ver-
fallen auch ins Rohe, Uebertriebene und
Karrikirte; die Auferstehung und Himmel-
fahrt weisen schöne Züge auf in Wieder-
gabe von Seelenbewegungen. Dieser Trias
schließen sich die weit wichtigeren drei Bil-
der der Südwand an:

b) Die hochberühmte Komposition, welche
unter dem Namen „Triumph des Todes"

bekannt ist. Sie hat zwei Theile. Links
sieht man in lieblicher Gebirgslandschaft
in der Nähe eines kleinen Klösterleins
heilige Greise der Arbeit und dem Gebet
obliegen. Hier ist alles Ruhe und Friede;
kein Todesschrecken dringt hieher, ja für
diese Männer, hochbetagt und ergraut in
Gottesdienst und Gottesfurcht, scheint es
kein Sterben zu geben; auch die Thiere
des Feldes genießen diesen paradiesischen
Frieden mit.

Im Thale unten aber bewegt sich ans
der Hohlschlucht heraus eine glänzende
Cavalcade, drei Könige mit ihrem Jagd-
gefolge. Plötzlich stockt der Zug; die
Pferde scheuen und schaudern; die Hunde
winseln, die Jagddiener weichen voll Ent-
setzen zurück, — der Pfad ist gesperrt
durch ein gräßliches Schauspiel: drei offene
Särge liegen mitten im Weg; darin drei
schlangennmwogte Leichname! der eine da-
von ist nur noch ein Gerippe; der zweite
ist noch mit den Gewändern bekleidet, der
Leib ist noch nicht zerfallen, aber das von
der Verwesung zerfressene Antlitz grinst
furchtbar aus dem Sarg heraus und die
schimmernde Krone auf dem Haupt macht
dieses Grinsen noch schauerlicher; der dritte
ist noch nicht lange eingesargt, Gesicht und
Körper hat noch Fülle und Rundung, aber
eine Schlange züngelt sich an ihm empor
und erklärt ihn für ihr Opfer und ihre
Beute.

Fürwahr ein schreckliches Memento
mori, welches aus diesen Särgen der
fröhlichen Jagdgesellschaft entgegentritt!
Und zur stummen Predigt der Todten fügt
ein vom Berg herabgekommener Eremit
die Predigt des Wortes, die auf seiner
Rolle geschrieben steht. Ob sich die Welt-
leute diese Doppelpredigt git Herzen neh-
men werden? Zwei Frauengestalten er-
scheinen tief ergriffen; bei den Fürsten ist
der Eindruck ein sehr zweifelhafter; höchst
unangenehm und widerwärtig ist ihnen der
Zwischenfall; sie scheinen aber mehr die
Störung ihres Vergnügens zu bedauern,
als dem Gedanken an den eigenen Tod
Raum zu geben.

Der nun, dessen Vernichtnngswerk diese
Gesellschaft so bestürzt hat, erscheint uns
auf der rechten Seite personisizirt in der
schauerlichen weiblichen Gestalt des Todes
(la morte). Von zwei mächtigen Fleder-
 
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