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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 4
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [12]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0041

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Archiv für christliche Runst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Runst.

Uerausgegeben und redigirt von Professor Ur. Aepxler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözesan-Runstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Vr. Aeppler.

Or. 4.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die tvürttemb. (M. 1. 90
im Stuttg. Bcstellbezirk), M.. 2. 20 durch die bayerischen und die Rcichspostanstaltcn,
fl. 1. 27 in Oesterreich, Frcs. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags
direkt von der Expedition des „Deutschen Bolksblatts" in Stuttgart, Urbansstrahe 94
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.

1886.

Die Musterschule der monumen-
talen Malerei.

Von Prof. vr. Keppler.

(Fortsetzung.)

c) Das Weltgericht und die Hölle. Den
Mittelpunkt der ersten Komposition bildet
Christus in der Mandorla, aber neben ihm
thront in derselben mandelförmigen Glorie
die Madonna. Das ist meines Wissens
die erste Darstellung, in welcher Maria
dieser Antheil am Gerichtsakt verliehen
wird. Bisher hatte die Kunst Maria an
der Spitze der Heiligen erscheinen, oder
mit denk Täufer fürbittend zur Seite des
Richters knieen lassen, nicht als ob sie an
jenem Tag noch ihre Jntercession für die
Sünder einlegte, sondern um den Beschauer
an jene zu erinnern, durch deren Fürbitte
er die Gnade erlangen könne, an jenem
furchtbaren Tage zur Rechten zu stehen.
Hier ist sie vorgestellt als Theilnehmerin
an dem großen Triumph, der für Christus
im Gericht liegt. Er, der Richter selbst,
ist aus der absoluten Ruhe herausgetre-
ten in energische Bewegung. Mit Macht
und Hoheit, mit würdevollster Indignation
hat .er sich den Bösen zugewendet, mit
hocherhobener Rechten verwirft er sie von
seinem Angesicht; die Linke aber enthüllt
die Seitenwunde, — ein herrlicher Ge-
danke und ein Zug von großartiger Wir-
kung lind überwältigendem Eindruck. Aus
die Seitenwunde- weist er hin, — damit
ist alles gesagt; sie ist die bündigste Zu-
sammenfassung alles dessen, was er in sei-
ner Erlöserliebe gethan; diese Wunde er-
hebt mit ihren blntrothen Lippen die An-
klage gegen die Unglückseligen, welche solche
Liebe verachteten, sie spricht das Urteil.
Mit erschütternder Eindringlichkeit ist hier
die unendliche Größe der Schuld der Ver-
dammten und die Nothwendigkeit ihrer
Verwerfung ausgesprochen und begründet.

Die Seitenwunde erklärt es feierlich und
die Verdammten bestätigen es durch ihre
verzweiflungsvolle Rene und ihr hoffnungs-
loses Schnldbekenntniß, daß nichts ande-
res als das Uebermaß der Liebe Ursache
ihrer Verwerfung ist, deswegen nämlich,
weil sie solche Liebe verachtet und miß-
braucht haben. Die Madonna ist, gleich
dem Richter, der Seite der Verworfenen
zugekehrt; ihr Antlitz ist voll tiefsten
Schmerzes; die letzte Regung des Mitleids
mit den Sündern zittert ans ihm. Sie
erscheint hier offenbar als Repräsentantin
der Liebe und des Erbarmens;. ihre Ge-
stalt soll ebenso wie der Hinweis ans die
Seitenwnnde die entsetzliche Schuld und
Undankbarkeit der Verworfenen illnstriren.
Einen solchen Erlöser hatten sie, sagt das
Bild, der den letzten Tropfen Bluts ans
dem durchstochenen Herzen vergoß, eine
solche Mutter voll Erbarmens, — und
doch war alles an ihnen verschwendet und
verloren. Die Anklage, welche ans der
Seitenwunde und aus dem schmerzbewegten
Antlitz der Madonna spricht, übergießt die
Verworfenen mit einem glühenden Strom
von Scham, Schande, fruchtloser Rene,
bitterster Selbstanklage; die Qualen der
Hölle kommen über sie. Kein Teufel ist
auf dem Bild zu sehen; die Engel allein
fnngiren als Diener des Gerichts und nur
aus den Felsenspalten heraus sieht man
krallige Arme die Nächststehenden packen,
aber auf dem Antlitz der Sünder ist doch
die ganze Höllenqnal mit schauerlicher
Deutlichkeit geschildert.

Unleugbar gravitirt dieses Gerichtsbild nach
der linken Seite hin und will es vor allein
Büßpredigt sein. Aber auch die rechte
Seite ist mit viel Geist und Ausdruck be-
handelt. In parallelen Linien sind die
Anserwählten aufgereiht, die herrlichen
Köpfe nach oben gewandt, das Antlitz von
einem Glorienschimmer seliger Freude über-
 
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