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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 4
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Zimmerle, Karl: Die St. Michaelskapelle in Mergentheim, [2]: [Geschichte der Kapelle]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0044

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40

vollzog derselbe Weihbischof Eucharius Saug
am 4. Oktober, der zwei Jahre früher die
Konsekration vorgenommen hatte. Am 5. Okto-
ber geschah die Konsekration zweier Altäre
im Predigerkloster?)

Das Gedächtuiß der Kirchweihe
wurde zuerst am Sonntag nach dein Michaels-
sest gefeiert, bald aber zugleich mit diesem
begangen.

Der Eck'sche Altar war ein hoher
Altaraufbau von Holz im Geschmack der
Renaissance und füllte zum Schaden der Archi-
tektin' der Kapelle die volle Bogeuhöhe iind
die Breite zwischen zwei Pfeilern, also den
4. Theil des inneren Vierecks in der Kapelle,
aiis. Jiii Laufe der Zeit ist dieser Holzaus-
bau wurmstichig iiiid unbrauchbar geworden
und daher bei der Restauration entfernt worden.
In einer großen Nische des Mittelfeldes
enthielt derselbe die überlebensgroße Statue
des hl. Michael, der, auf dem Kopfe des
Drachen stehend, in der einen Hand das
erhobene Schwert, in der andern Schild und
Waage hält, in welcher eine arme Seele ge-
ivogen wird. Diese Statue ist jetzt auf der
Mänuerennpore in der Stadtpfarrkirche aus-
gestellt, da ihre Verhältnisse für die Kapelle
zu ungünstig wirken. Auf der Bretterwand
hinter der Statue war in ziemlich primitiver
Weise die Auferstehung der Todten abge-
malt. Der Oberbau des Altars enthielt die
Figur des Weltenrichters in der Wolkenglorie,
dem ein zweischneidiges Schwert aus dein
Mund fährt; neben ihm knieeten Maria und
Johannes der Täufer.

Um das Jahr 1631, also zur Zeit, wo die
Schweden in Mergentheim hausten,
wurde durch dieselben die Kapelle St. Michael
„verwistet", die Kirchhofmauer angerissen?)
Daher fand am 11. Oktober eine Rekon-
ziliation (Wiedereinweihung) des Gottes-
ackers sammt der Kirche durch den Weihbischof
Zacharias Stumpf von Würzburg statt?)
Zur Bestreitung der Kosten hatte die Regie-
rung unter anderem im Mai 1636 auch
„50 Rthlr. Strafgelder wegen zu klein ge-
backenen Brots" angewiesen. Eine Person
schenkte zur Wiedererbauung der Kapelle und
Mauer 49 fl., eine andere 24 fl. Maurer
Haus Defsner führte die Mauer aus Grund
der alten wieder auf?)

Auch im folgenden Jahrzehnt hatte der
Gottesacker vor den Stadtmauern unter dem
Kriegswesen zu leiden. 1645 konnte das
Fejt des hl. Michael in derselben nicht in 6 7 8

6) Das Archiv für Unterfranken I. c.

6) Staatsarchiv.

7) Kircheuordnnng von der Hand des Stadt-
pfarrers Venator, Pfarr-Registratur p. 121.

8) Staatsarchiv.

herkömmlicher Weise begangen werden wegen
der Soldaten, Franzosen und Schweden, welche
die Gegend unsicher machten. Etwas später
sah sich Stadtpfarrer Johann Vogler veran-
laßt, wegen eines groben Aergernisses von
Seiten eines gottlosen Menschen die Kapelle
außerhalb der Zeit des Gottesdienstes ge-
schlossen zu halten. Sein übernächster Nach-
folger, Pfarrer Christ, ließ sie auf Andringen
des Kapnzinerpaters Hugo, den er zur Fest-
predigt nach St. Michael geladen hatte, wieder
offen: „zu nicht geringem Nutzen, Gottlob"/
fügt der eifrige Seelsorger in seinem Tage-
buch bei?)

Derselbe Stadtpfarrer Christ suchte überhaupt
die Andacht in St. Michael zu heben. Im
2. Jahre seiner Amtsführung, 1689, veranstaltete
er am Morgen des St. Michaels-Festes in die
Kapelle eine thcophorische Prozession (mit dem
Allerheiligsten), ein Gebrauch, der später wieder
abkam. Im Jahre 1690 begann er in der Kapelle
im Anschluß an das Schntzengelfest, das ans den
1. Sonntag des Septembers fällt, die öffentliche
Verehrung aller heiligen Engel in Auf-
nahme zu bringen. Der Pfarrer sah in der Pflege
dieser Andacht und dieses Festes ein Mittel, um
auf die Heranwachsende Jugend zu wirken. Er
veranstaltete daher mit der Jugend Prozessionen
zu der Kapelle und begieng das Schutzengelfest
so feierlich als das Titularfest voni hl. Michael.
Bei letzterem aber waren zwei musikalische Vespern,
Predigt und Hochanit herkömmlich. Vor Beginn
des letzteren wurde unter den üblichen Gebeten
ein Umgang um die Kapelle im Gottesacker veran-
staltet. Seit 1692 sorgte Christ dafür, daß wäh-
rend der Oktav des Schutzengelfestes in
der Kapelle täglich eine hl. Messe gelesen wurde.
Sein Wunsch, die in Köln blühende Erzbruder-
schaft von den Engeln in die Kapelle zu verpflan-
zen, kam nicht zur Ausführung. Da man nun
öfters in der Kapelle predigte, ließ Christ 1691
auch eine tragbare Kautzel anfertigen: Schreiner
Adam Krescr erhielt dafür 7 fl., Maler Anton
Fermo 5 f(.10)

Wiederholte Klagen stellen die Pfarrer dieser
Zeit über den grundlosen Weg an, der
zum Gottesacker führte: es sei, namentlich
bei bösem Wetter, mit den Prozessionen kaum
durchzukommen. 1646 fiel deßhalb die Prozession
ganz aus, 1687 hielt man die Vespern in der
Pfarrkirche ab. 1694 wurde Abhilfe getroffen:
im April tvurde die eine, im November die andere
Hälfte des Weges mit Steinen gepflastert. Diese
wurden von jenen Bürgern, die „Roß und Ochsen"
besaßen, unentgeltlich beigeführt, den weiteren Auf-
wand konnte der Pfarrer durch milde Stiftungen
decken.

Zu der Kapelle wurden alsbald niehrere Jahr-
tage gestiftet. Stadtpfarrer Faber hat bereits
12 verzeichnet; der l. mit 1 Amt und 1 Messe
stammt aus dem Jahre 1610 von Martin Vollant.
Stadtpfarrer Venator nennt den Stand des
Stiftungsvermögens 1683 „den beinahe besten

9) In der Pfarr-Registratur.

") Rechnung noch im Staatsarchiv.
 
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