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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 4
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Zimmerle, Karl: Die St. Michaelskapelle in Mergentheim, [2]: [Geschichte der Kapelle]
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0047

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43

Tode. Daraus erklärt es sich, daß die schreck-
hafte Gestalt des Todes sogar zu einer humo-
ristischen Figur in Kunst und Poesie wie im
Volkswitz werden konnte. Das gesunde christ-
liche Volk hat jederzeit ein tiefes Verständniß
für die Bilder des Todes besessen, wie sie in den
Todtentänzen die Wände, vorzüglich der Fried-
hofmauern und Todtenkapellen schmückten, und
der feine Kunstkenner aller Zeiten steht bewun-
dernd vor Kunstschöpsnngen, wie jener „Tri-
umph des Todes" eine ist, der im Anschluß an
Dante's „Göttliche Komödie" zu Pisa ent-
stand und den unsterblichen Schmuck des be-
rühmten Camposanto daselbst bildet. Wer
könnte ihn vergessen, der ihn je gesehen?
Auch in Deutschland gibt es eine Reihe Städte
mit mehr oder weniger berühmten Todten-
tänzen: zu Minden, Lübeck, Dresden, Erfurt,
Berlin, Landshnt und die berühmtesten zu Basel.

Alls diese Todtentänze mit ihrer stum-
men, eindringlichen Bilderpredigt ist, man darf
es wohl sagen, glücklich bei der Restaura-
tion zurü ckg egrisfen worden, welche im
Jahre 1885 niit der St. Michaelskapelle auf
den: Gottesacker zu Mergentheim vor sich gieng.

Die alten Todtentänze nehmen ihren
Stoff aus dem täglichen Leben; sie
zeigen, wie der Tod jäh und unerwartet den
Menschen in den verschiedensten Beschäftigun-
gen und Lebenslagen überrascht und ihn ohne
jedes Ansehen der Person unbarmherzig, er
mag wollen oder nicht, mit sich fortreißt.
Es ist bekanntlich namentlich dem Hans Hol-
bein gelungen, auf diese Art originelle und
drastische Bilder mitten aus dem täglichen
Leben zu schassen.

Im Unterschied von diesen Todtentänzen
oder Todtenbildern erblicken wir in der St.
Michaelskapelle zu Mergentheim einen bib-
lischen Todtentanz. Professor Tobias
Weiß in Nürnberg hat seine Stoffe der
heiligen Schrift des alten und neuen Testa-
ments entnommen und veranschaulicht in 15
Bildern die christliche Lehre von:
Tod: seinen Eintritt (1. Bild), seine Herr-
schaft (2.—12.Bild), seine Ueberwindung in der
Welt (13.-15. Bild). Auch Professor Weiß
versteht es, wie die alten Meister, seinen Stofs
zu scharfen, packenden Kontrasten zu gestalten,
die den Beschauer ergreifen: seine Bildwerke,
welche eine Länge von 40 Metern, bei einer
Höhe von einem Meter —ans Leinwand in Oel
gemalt und aus Rahmen anfgespannt — ein-
nehmen, sind eine eindringliche, fesselnde Bil-
derpredigt, wie sie in die Mitte eines Fried-
hofs paßt. (Fortsetzung folgt.)

Literatur.

Das Weltgericht in der bildenden

Kunst, von Gustav Portig (Zeit-

fragen des christlichen Volkslebens, Band X,

Heft5) Heilbronn, Henninger, 1885. 75 S.
Preis M. 1. 40.

Es lohnt sich, diesem Schriftchen einige Auf-
merksamkeit zu schenken, nicht als einer hervor-
ragenden Leistung der Kunstforschung, sondern als
einen: höchst merkwürdigen Beispiel, in welcher
Weise von gewisser protestantischer Seite Kunst-
studien betrieben werden. Der Grundgedanke der
Schrift ist ein sehr glücklicher; wir selbst haben
früher an einigen Beispielen (Darstellung in:
Tempel, Taufe, Geiselung, Oelberg:c.) zu zeigen
gesucht, wie instruktiv eine Kunstgeschichte sein
müßte, welche anstatt der Schulen und Meister
vielmehr die Themate und Objekte der hl. Kunst
selbst zum Eintheilungsprinzip nähme, die Vari-
irungcn dieser Themate im Lauf der Jahrhun-
derte zur Darstellung brächte und als Resultate
der Betrachtung je das Gute und Beste aus den
verschiedenen Zeiten Herausstellen würde als Nor-
mcn für die heutige religiöse Kunst. Das Welt-
gericht nun verdient eine Behandlung nach diesem
Gesichtspunkt schon wegen der Wichtigkeit des
Thema's, sodann wegen der überaus großen Zahl
von Darstellungen, welche durch alle Jahrhunderte
hindurch dieses Thema behandelt haben. Nichts
müßte interessanter sein, als den Entwicklungs-
gang der kirchlichen Kunst in Auffassung dieses
grandiosen Thenia's überschauen zu können von
den alten Mosaiken bis auf Peter Cornelius.

Wir hofften, das obige Schriftchen würde eben
dies in gewissem Maaße ermöglichen. Allein der
Vers, hat unbegreiflicher Weise den Zusammen-
hang wieder gewaltsan: zerrissen und den Stoff
zerstückelt, Inder er die hier ganz unnöthige Un-
terscheidung: Plastik, Malerei: Mosaik, Tafel-
malerei, Oclmalerei, Freskomalerei w. seiner gan-
zen Arbeit zu Grund legt; damit ist wieder jeder
Ueberblick über die Behandlung des Thema's zu
einer bestimmten Zeit, über Wandlungen zu
andern Zeiten verbaut, es ist etwas, was
nebensächlich zu berücksichtigen war, zur Haupt-
sache erhoben. Wir müssen aber fast den: Vers,
das Recht abstreiten, diese Kategorien überhaupt
aufzustellen; er scheint sie gar nicht unterscheiden
zu können, sonst würde er doch wahrhaftig nicht
die Freskonialerei des Caniposanto in Pisa, diese
Wandmalereien par excellence unter den Tafel-
gemälden aufführen (S. 30 f.)!

Der Verf. ist sich aber auch gar nicht klar
darüber geworden, was eigentlich in den Rahmen
seines Thema's gehört. Er lebt in der höchst
seltsamen Illusion, daß mit dem Weltgericht auch
die Höllenfahrt Jesu znsammenhänge; er scheint
zu meinen, Jesus hole bei der Höllenfahrt die
Seelen aus dem Liinbus zum Gericht herauf.
Wenigstens handelt er an sehr vielen Orten von
Höllenfahrtsbildern in einer Weise, daß man gar
nicht daran zweifeln kann, daß er diese als Annexa
der Weltgerichtsbildcr ansieht. Mit demselben
Unrecht wird noch eine Menge anderer Bilder
hereinbezogen, welche mit dem Thema der Schrift
lediglich nichts zu thuu haben, so die Darstelluu-'
gen des Engelsturzes, und Bilder, in welchen St.
Michael oder Engel mit Leidenswerkzeugeu figu-
riren. Es wird eine Elfenbeinskulptur angeführt,
welche Christus am Kreuz darstellt nebst Engeln
 
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