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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 5
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [13]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0055

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51

welche den ächt religiösen, kerngesunden
Sinn bekunden und himmelweit fern sind
von aller krankhaften Schwärmerei und
allem falschen Mystizismus. Ueberall zeigt
sich ein richtiges Verständniß für den Geist
christlicher Ascetik. Diese Einsiedler sind
wahrlich keine Menschen, deren sittliche
und geistige Kraft im Augenverdrehen oder
Seufzen aufgienge, noch Ebersh'che Ur-
waldsmenschen, welche dem Geschäft from-
men Müßiggangs obliegen; das sind kräftige,
wettergebräunte Gestalten, welche in ihren
einsamen, felsigen Wohnsitzen ein mühe-
volles thätiges Leben führen, deren Rücken
gekrümmt ist von schweren körperlichen
Arbeiten, oder vom Sichniederbeugen über
die Bücher, denen ernste Geistesthätigkeit
und Geisteszucht den Kopf modellirt und
das Auge so hell und klar gemacht hat.
Man betrachte diese Gesichter, in welchen
faltenreiche Magerkeit mit kraftvoller Ener-
gie gepaart ist, und welche durchschimmert
sind vom Glück eines guten Gewissens;
von ihnen wird man den Geist, das Ziel
und den Zweck, die Höhe und Bedeutung
der christlichen Ascese ablesen können. Was
immer diese Heiligen thun, ist eingetaucht
iu eine weltferne, friedevolle Ruhe. Ein
Himmel von Zufriedenheit und innerem
Glück, der dem Beschauer wie ein wieder-
erstandenes Paradies entgegenleuchtet, wölbt
sich über ihnen; er bleibt ungetrübt, auch
wenn der Tod sie in ihrer Einsamkeit be-
sucht, und der Felsen, der ihre Wohnung
und Heimat und Welt gewesen, ihrem
Leichnam zur Ruhestätte wird. Die köstli-
chen Schilderungen entschädigen für die
ihnen anklebenden technischen Schwächen
vollauf durch ihren feinen Geist, aber auch
durch die kräftige Zeichnung und Kolo-
rirung und die energische dramatische Er-
zählungsgabe.

e) Den Darstellungen aus dem Eremi-
tenleben fügen sich an die Bilder aus
der Legende des hl. Ranieri (Rai-
ner), eines hochverehrten pisanischen Heili-
gen. Die drei oberen stammen von Andrea
da Firenze (1377), welcher trotz seines
florentinischen Namens bedeutend nach der
Schule von Siena neigt, wie die Gesichter
hauptsächlich zeigen. Hier wird geschildert,
wie St. Rainer aus dem Leichtsinn der
Welt zum Leben der Vollkommenheit be-
rufen wird; eine Matrone lockt ihn weg

von der Schaar der Tanzenden und weist
ihn zum frommen Albertus; dieser unter;
weist ihn im Glauben, ein Strahl des
Geistes erleuchtet ihn und Christus, der
ihm erscheint, bringt das Werk der Gnade
in ihm zum Durchbruch. Aus dem zweiten
Bild sieht man ihn nach dem hl. Land
wallfahren; das Schiff, welches er bestie-
gen hat, führt eine grausenhafte Fracht:
die Matrosen öffnen eine bisher nicht be-
achtete Kiste und finden einen Leichnam
darin; ihr Entsetzen und Granen ist leben-
dig geschildert: St. Rainer benützt den
Vorfall zu einer Büßpredigt. Abermals
erscheint ihm in Palästina der Herr und
auch der Mutter des Himmels, welche voll
Majestät auf dem Throne sitzt, wird er
vorgestellt. Das dritte Bild erzählt Epi-
soden aus dem Aufenthalt in Palästina,
Kämpfe mit dem Teufel, Zähmung wilder
Thiere, Visionen u. s. w.

Die drei unteren Bilder stammen von
Antonio Veneziano (1386); man sieht den
Heiligen aus Palästina heimkehren; er ent-
larvt durch ein Wunder einen weinfälschen-
den Wirth, ans dessen Fässern der Teufel
sitzt; aus herrlicher Veranda sitzt er mit
den Kanonikern von Pisa zu Tisch; dann
folgt die mit besonderer Lebendigkeit ge-
gebene Erzählung seines Todes, der feier-
lichen Uebertragung des hl. Leichnams in
die Kathedrale, die Rettung eines Schiffes
ans Sturm und Wellen durch den Heiligen.
Den Meistern dieser Gedanken eignet nicht
so fast Tiefe der Gedanken und hohe Ans-
fassung ihrer Themate, als die Gabe an-
schaulicher und lebhafter Schilderung und
die Lust und Kunst, aus dem vollen Strom
des wirklichen Lebens die Formen und
Motive zu schöpfen.

l) Sehr verdorben sind die sechs Fres-
ken aus d e r L e g e n d e d e s h l. E p h e-
sus (Ephysins) und Potitns, gleich-
falls zweier pisanischer Lokalheiligen; die
drei untern, dem hl. Potitns gewidmeten
sind fast ganz untergegangen, die obern
haben schwer gelitten. Sie stammen von
Spinello Aretino's (Schule Giotto's
1391) leichtbeweglichem Pinsel und leb-
hafter Phantasie. St. Ephesus soll ans
Befehl Diocletians in den Kampf gegen
die Christen ziehen, aber eine Erscheinung
Christi hält ihn davon ab; er zieht viel-
mehr mit dem vom hl. Michael überreich-
 
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