Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [13]
DOI Artikel:
Zimmerle, Karl: Die St. Michaelskapelle in Mergentheim, [3]: [Geschichte der Kapelle]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0058

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
54

und fröhliche Episoden des Alten Testa-
ments gegen ernstere auszuwechseln, weil
die ersteren seiner Richtung und seinem
Pinsel mehr zusagten. —

Wir wollen hier einen Ruhepunkt machen,
um die Geduld der Leser nicht überlange
für Ein Thema gu beanspruchen, und um
an dieser Stelle des Blattes der Fort-
setzung der Grammatik der kirchlichen Bau-
stile Raum zu geben. Später gedenken
wir das wichtige Thema der monumentalen
Malerei wieder aufzunehmen und dem
Fürsten, oder bester Engel der kirchlichen
Malerei, dem Fra Angelico da Fiesole eine
Betrachtung zu widmen, sodann auch her-
vorragende deutsche Wandmalereien vorzu-
führen. —

Die 5t. Michaelskapelle in
Mergentheim.

Von Stadtpfarrer K. Zimmerte.

(Fortsetzung.)

Da die Kapelle ein Sechseck bildet, so
sind fünf Seiten der Umfassungsmauer mit
je drei Bildern geschmückt, welche sozusagen
die Lebensgeschichte des Todes darstellen,
wogegen an der sechsten Seite über dem Ein-
gang im Stil der Symbolik der Katakomben
das ewige Leben selbst veranschaulicht wird,
in welchem nach Ueberwindung des Todes
die Seelen der Gerechten dein Lamme fol-
gen, wohin es geht. Durch diese glückliche
Disposition des Raumes im Anschluß an die
Architektur bringen diese Bilder, die wie ein
fortlaufender Fries im Architrave über den
Fenstern durchgehen, eine so wohlthuende
einheitliche Wirkung trotz der Menge der
Figuren und der Mannigfaltigkeit der See-
nerien hervor. In den zwölf er st en B il-
dern erscheint der Tod als Hauptfigur
und zwar nicht, wie ihn die ältere Kunst
darstellt: als eine Mumie u. drgl., sondern
wie er seit Holbein populärer geworden rst:
als Gerippe in ein Leichentuch gekleidet,
dessen verschiedenartige Draperie den ver-
schiedenen Charakter mitveranschaulichen hilft,
in welchem der Tod bei den einzelnen Bil-
dern ausgefaßt ist. Unter den Bildern hin
zieht sich ein fortlaufendes Spruchband,
aus dem sich jene biblischen Schrifttexte be-
finden, welche den Schlüssel zum tieferen
Berständniß für den des Stoffes weniger
kundigen Beschauer bieten. Die Bilder gehen
von Westen nach Osten.

Der Künstler hat in den zwölf ersten Bil-

dern solche Begebenheiten der hl. Schrift zur
Darstellung gebracht, in denen die hl.
Schrift selb st den Tod als Strafe
der Sünde dar st eilt. Es stehen daher
auch unter dem ersten Bild passend die Worte:
„Durch Einen Menschen ist die Sünde in
die Welt gekommen und durch die Sünde
der Tod." Röm. 5, 12. Diese Worte ent-

räthseln das Geheimniß des Todes im Lichte
des Glaubens.

In dem ersten Bilde tritt der Tod seine
Weltherrschaft an. Zur Linken des Be-
schauers steht vor der Pforte des Paradieses der
Patron der Kapelle, der hl. Erzengel Mi-
chael. Er gilt nach frommer Ueberlieferung für
den Engel, welcher Adam und Eva mit flam-
mendem Schwerte aus dem Paradies verjagte
und den Schlüssel desselben führt. Sein rechter
Arm mit dem Schwert ist abwehrend über die
geöffnete Thiir ausgestreckt, hinter der sich der
Garten der Lust in üppiger Farbenpracht aus-
breitet — das verlorene Paradies! Mit der lin-
ken Hand weist der Erzengel, Mitleid im Antlitz,
die sündigen Stammeltern hinaus in ein
ödes Land, das Disteln und Dornen trägt. Ge-
beugten Ganges, schuldbeladen, die Augen mit
der Hand verhüllt, eilen sie dahin, ohne es zu
bemerken — dem Tod in die Arme, der aus
einer dunkeln Erdkluft heraus ihnen entgegentritt.
Schon diese seine Herkunft zeigt ihn als das,
was er ist: der Fürst der Verwesung. Er
hält in der einen Hand den Reichsapfel seiner
Herrschaft, die verbotene Frucht, mit der anderen
greift er nach dem Scepter über die sündige
Menschheit: die Schlange, welche geschäftig den
Flüchtlingen sich vorausringelt, trägt es im Maul
und reicht es dem Tod. Im Rücken von den
Stammeltern steht an der Mauer des Paradieses
ein Pfau und schlägt sein Rad: Hochmuth kommt
vor dem Fall. Die Farbenstimmung des Bildes
drückt in sehr gelungener Weise den Gegensatz
aus zwischen dem Himmelsfürsten an der Pforte
des verlorenen Lebens einerseits und dem grau-
sigen Tod im Lande der Verbannung und im
Thal der Thränen andererseits.

In den elf folgenden Bildern übt der Tod
seine unbestrittene strafende Herrschaft. Wir sehen
zuerst den Brudermord des Kain: zwischen
der erschlagenen Unschuld und dem blutbefleckten
Mörder steht hoch aufgerichtet als Rächer des
Frevels der Tod. Er hält eine Buchrolle in
der Hand mit den Worten: „Der Sünde Sold
ist der Tod!" Röm. 6, 23. Auf der einen Seite
dehnt sich eine friedliche Landschaft aus, darin
stehen von Palmen umgeben zwei Altäre. Am
Fuße des einen Altars, dessen Rauch gerade hoch
und licht aufsteigt zum heiteren Himmel, liegt die
edle Gestalt des unschuldigen Abel hingestreckt
am Boden; von: anderen Altäre aber jagt der
schwarze Rauch des Opfers, durch Gottes Zorn
niedergedrückt, in schreckliche Wolkenbilder zusam-
mengeballt, dem Mörder nach, der den öden,
schauerlichen Gebirgen zueilt und von Gewissens-
bissen gefoltert ausruft: „Ich muß mich vor Dei-
nem Angesicht verbergen und lver mich findet,
wird mich tödten!" Gen. 4, 14.
 
Annotationen