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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 6
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Schnütgen, Alexander: Wandbekleidung mit Thonfliesen, [1]
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Zimmerle, Karl: Die St. Michaelskapelle in Mergentheim, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0066

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62

rischen, so erscheinen sie für die Ausstattung
der unteren Wandflächen als ganz besonders
geeignet. Hierfür sind Thon Plättchen
deßwegen auch von jeher benutzt worden,
und schon in Niniveh wußte man sie mit
farbigem Emailüberzug zu schmücken. Eine
eigenthümliche Farbenskala charakterisirt
diese vorwiegend geometrischen Musterungen
und es leuchtet aus ihr das Bestreben
hervor, durch Vermeidung scharfer Gegen-
sätze die Farbenharmonie zu erleichtern.
Die matteren Töne des Gelblichen, Bläu-
lichen, Grünlichen, Bräunlichen variiren in
ihnen mit Weiß und Schwarz untermischt,
namentlich von letzterem kontourirt, in der
manchfaltigsteu Zusammensetzung und eine
vorzügliche Gesammtwirkung ist das Resul-
tat. Bald sind sie mit den charakteristischen
Blumen, bald mit kusischen Inschriften ver-
sehen, die in der Regel reliefirt sind. Sie
sind als die Vorläufer der Azulejo's zu
betrachten, jener vielgestaltig geformter und
zu Tafeln sich zusammensetzeuder emaillirter
Plättchen, welche von den Arabern fabrizirt
wurden, um namentlich in den spanischen
Moscheen zur Wandbekleidung zu dienen.
Aus ihnen sind sie in die christlichen
Kirchen übergegangen, in denen sie sich schon
iin 14. Jahrhundert finden, als Schmuck
für die Wände einzelner besonders beliebter
und besuchter Kapellen vornehmlich geschätzt.
Auch in Italien begegnen sie mindestens
schon im Beginn des 15. Jahrhunderts und
unter Anderem haben sie sich im Dome von
Siena, sowie in einer Seitenkapelle von
St. Petronio in Bologna bis heute erhalten.
Man merkt ihnen in der kaleidoskopischen
Art der Zusammensetzung, in ihrer aus
vorwiegend bläulichen, gelblichen und grün-
lichen Tönen gebildeten Stimmung, wie in
ihrer ganzen Majolikatechnik die sarazeni-
schen Reminiszenzen an, während die Zeich-
nung, meistens Rankenwerk, das nicht selten
von figürlichen Motiven belebt ist, durch-
aus im glänzenden Stile der italienischen
Renaissance gehalten ist. Auch in Holland
und am Niederrhein kommen, aber wohl
erst gegen Schluß des 16. Jahrhunderts,
ähnliche fayanonartig gebildete Fliesen vor,
die fast immer quadratisch und von gleicher
Größe sind, dünne harte Plättchen, An-
fangs nur ornamental, später auch und
vorwiegend figural gemustert, viel mehr-
bestimmt, in profanen als in kirchlichen

Mauern den Sockel der Wände zu be-
decken. In letzteren beschränken sie sich
fast ausschließlich auf Sakristei unb Ka-
pellen. — (Fortsetzung folgt.)

Die St. Michaelskapelle in
Mergentheim.

Von Stadtpfarrer K. Zimmerte.

(Schluß.)

Die drei letzten Bilder des Todtentanzes
veranschaulichen den Sieg Jesu Christi
über den Tod: die beiden ersten jenen in
der Zeit, die beiden letzten jenen in der Ewig-
keit. In der erhabenen Sequenz des Oster-
festes findet sich die packende Wendung:
Mors et Vita duello conflixere mirando: dux
vitae mortuus regnat vivus d. h. VOb und

Leben rangen ini wunderbaren Kampfe: der
Fürst des Lebens getödtet, herrscht lebendig.
Diese beiden Gedanken bringt der Künstler
sprechend znnr Ausdruck. Christus, das
Leben, hängt sterbend am Kreuze
in Mitte der Schächer; aber sein Tod
ist der Tod des Todes: in Schaaren
erheben sich die Todten aus ihren
Grüften und eilen der Stadt Jerusalem
im Hintergrund zu. „Verschlungen ist der
Tod im Siege" — lautet die passende Unter-
schrift dieses Prachtgemäldes aus 1 Cor. 15,54.
Vier Todte sind auf demselben an-
gebracht: Christus, der reuige Schächer,
der gottlose Schächer unb int Hintergrund am
Baume Judas, der Verräther. Eine ähn-
liche Zusammenstellung findet sich in einem
der dramatischen Todtentänze, welche unsere
Ahnen als geistige Schauspiele aufführten.
In dem Vorspiel zum Neumarkter Passions-
spiel läßt nämlich der Dichter einen vier-
fachen Tod auftreten: mors optima, der beste
Tod, wird beauftragt, den wahren Gottes-
sohn ans der Welt zur wohlverdienten Krone
zu führen; der zweite, mors bona, der gute
Tod, führt den guten Schächer in's Paradies;
der dritte, mors maia, der böse wod, holt
den unbußfertigen Schächer, mors pessima,
der schlimmste Tod endlich, holt den Judas
zur Hölle ab. Diesen vierfachen Tod hat
auch unser Künstler glücklich in der verschie-
denen Lichtwirkung seines Bildes veranschau-
licht. Ueberaus wirkungsvoll hat er auf beit
sterbenden Ueberwinder des Todes das volle
glänzendste Licht geworfen: im Lichte des
Todes Christi erhält ja unser eigener Tod
ein neues Licht! Das Licht eines seligen
Todes liegt daher wie ein Wiederschein von
Christus dem Gekreuzigten auf der Gestalt
des bekehrten Schächers. Schatten dagegen
lagern über dem verstockten Straßenräuber,
 
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