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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 8
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Detzel, Heinrich: Mariä Verkündung in der christlichen Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0085
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— 81 —

des 10. Jahrhunderts an gehört. Der Vor-
gang spielt hier vor dein Castellum Naza-
reth; wir sehen nur die hl. Jungfrau uud
deu Engel, beide stehend. Erstere breitet
verwundernd die Hände aus, während der
Engel sprechend die Rechte erhebt und in der
Linken eiir Vortragkreuz hält; beide haben
den Nimbus. Der Vorgang ist ganz einfach,
still und ohne alles Gepränge gegeben, ent-
behrt aber bei all dieser Einfachheit doch
nicht einer gewissen Feierlichkeit, gerade so
wie der Bericht des hl. Lukas. Die spätere
Zeit konnte zur Nachahmung kein einfacheres
und würdigeres Beispiel finden. Gleich ein-
fach ist auch das Verkündigungsbild an den
Reliefs der alten Bronzethüre des Domes
zu Pisa aus dem 12. Jahrhundert. Maria
hat sich eben von ihrem Sitze erhoben und
wendet sich leicht dem Engel zu, der, noch
außerhalb des Gebäudes, seine Rechte sprechend
erhebt. Auch an der Fasade von St. Zeno
zu Verona, ander sich rohe, aber mehrfach
interessante Reliefs von 1139 befinden, sieht
man unten links die Verkündigung. Maria
aber ist hier sitzend dargestellt; sie neigt sich
dem Engel zu, der steht und sprechend den Zeige-
finger erhebt. Noch im 13. Jahrhundert gibt
das Fragment einer Glocke* 20) den Vorgang
einfach und gut, entsprechend der Würde und
Erhabenheit seines Geheimnisses: durch eine
ganz einfache Geberde der dastehenden hl.
Jungfrau und des Engels ist alles ausge-
drückt; man sieht: der Engel hat gesprochen,
Maria spricht unb alles ist gesagt, alles ge-
schehen, das Mysterium ist erfüllt; Maria ist
die Mutter Gottes.

Im 13. Jahrhundert uud weiterhin tritt
dann das Verkündigungsbild als der Ausdruck
eines solchen theologischen Dogma's allent-
halben vor uns. Es wurde dieses Bild jetzt
ein Hauptbestandtheil einer jeden größeren
Reihe religiöskirchlicher Darstellungen, gleich-
sam der Eckstein jeglicher religiösen Dekoration.
Es bildete einen Theil einer jeden Altarver-
zierung und zwar sowohl in der Skulptur
als auch in der Malerei. Besonders oft an
den Außenslügeln der gothischen Altäre sehen
wir dessen Darstellung z. B. an dem großen
Altarwerke, das jetzt die Johanneßkapelle des
Domes zu Köln schmückt, deu Namen des
„Kölner Dombildes" führt uud jetzt dem
Stephan L o ch n e r zugeschriebeu wird, der
aus der Gegend von Konstanz gebürtig um
1440—50 zu Köln eines der hervorragendsten
Glieder der dortigen Malerzunft war. Des-

geben von Fr. K. Kraus. Freiburg 1884.
Tas. IX.

20) Abgebildet bei Grimouard de St. Lau-
rent, guide de l'art chretien. Paris 1874.
Tom. p. 106 n. 12.

gleichen an den Außenflügeln des Gent er
Altares, der von den Gebrüdern Hubert
und Johann van Eyck 1432 für die Kapelle
des Jodocus Vydt und seiner Gemahlin in
der Kirche St. Johann zu Gent fertig gestellt
wurde. Maria, in weißem, lang herab-
wallendem Gewände an ihrem Betpulte
knieend, über ihrem Hattpte die Taube, ver-
nimmt, den Blick aufwärts gerichtet und die
Hände über die Brust gelegt, die himmlische
Botschaft. Der Engel Gabriel, ebenfalls in
weitem weißem Gewände, verkündet diese
knieend, die Lilie in der Linken, mit der
Rechten nach oben deutend. Im Hintergründe
den Gemachs hat man durch ein gothisches
Fenster Ausblick auf die Häuser einer Stadt.
Der englische Gruß ist hier Grau in Grau
gemalt, aber überaus zart und schön; Maria
ein Bild voll hoher Würde. Das Werk,
jetzt im Berliner Museum (Nr. 520 und
521), wurde in dieser Art der Darstellung
der Verkündigung maßgebend für die ganze
spätere niederländische Schule. Atlch in
Dresden (Mus. v. 1836) findet sich eine
Verkündigung von Eyck auf deu Außen-
slügeln eines ehemaligen Altares (der Sage
nach des Reisealtares Karls V.) in stehenden
Figuren, gleichfalls Grau in Grau gemalt
und Skulpturen nachahmend.

Die beiden Figuren der Verkündigung
sind zuweilen weit von einander getrennt, so
daß für den ersten Blick kaum ihre Zusammen-
gehörigkeit herausgefunden wird; so steht
zuweilen die hl. Jungfrau auf der einen
Seite des Altares, der Engel auf der andern
oder man findet die beiden Figuren in Nischen,
oder an Säulen oder an Piedestalen am Ein-
gänge des Chores. Ein Altarbild mochte
darstellen, was es wollte, sei es eine Gebitrt
Christi, die thronende Madonna, Mariä
Krönung, die Kreuzigung oder das hl. Abend-
mahl, die Verkündigung bildete fast unver-
änderlich im Mittelalter einen Theil der
Dekoration, entweder auf dem Gewölbebogen
oben oder auf der Predella unten, oder,
was sehr gewöhnlich, als Gemälde oder
Schnitzwerk au den Thüren eines Taber-
nakels oder Triptychons. Sind die beiden
Figuren lebensgroß, so erscheinen sie gewöhn-
lich beide entweder stehend oder knieend;
erst in späterer Zeit erscheint im Mittelalter
die hl. Jungfrau auch sitzend und der Engel
knieend.

Im 15. Jahrhundert findet man die
Verkündigung oft auch allegorisch
oder symbolisch behandelt: Maria ist
sitzettd dargestellt und ein Einhorn flüchtet
sich in ihren Schooß; ein knieender oder
stehender Engel bläst auf einem Jagdhorne,
3 oder 4 Hunde kauern neben ihm. Der
 
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