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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 9
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Relpek, Eugen: Eindrücke von der Augsburger Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0092
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mann Hans Baldung-Grien 1476—1545;
von ihm ist die Madonna mit dem Christus-
knaben, Nr. 72. Die Perle dieser Abthei-
lnng aber ist „Maria im Rosenhag" mit
allerliebsten Blumen und Vögeln, ein Meister-
stück Martin Schonganers aus Kolmar, wahr-
scheinlich auch eines Augsburger Bürgersohnes,
der ohne eigentlich zur schwäbischen Schule
zu zählen, doch einen einschneidenden Einfluß
ans sie ansgeübt hat. Auch das „Schon-
gauer-Altärchen" ans Ulm ist ausgestellt, an
welchem der Maler den Bildschnitzer weit
überflügelt hat. Neben diesen altbekannten
Namen der schwäbischen Schule taucht aber
auch ein neuer, erst vor wenigen Jahren dem
Meer der Vergessenheit entstiegener auf —
die Kunstgeschichte wird ihn von nun an
nicht mehr vergessen — der Name Bernhard
Striegel, ein wichtiger und aller Anfmerk-
samkeit werthcr Meister aus Memmingen
(1468—1528). Nicht weniger als 20 be-
glaubigte Bilder von Bedeutung verkündigen
seinen Ruhm: eine Sammlung, wie sie außer
hier in Augsburg noch nirgends sich zu-
sammen gefunden. Namentlich sehenswerth
und in seiner Technik nachahmenswerth ist
sein Altaraufban mit Doppelthüren Nr. 74;
aus rauhem geschrotetem Untergrund treten
glatte, erhabene Arabesken sehr wirkungsvoll
hervor.

Gerne möchten wir wenigstens den Haupt-
werken dieser Meister gerecht werden, aber
dazu wäre eine eigene Abhandlung nöthig.
Und „ach wie traurig nimmt in Lettern
schwarz ans weiß ein — Bild sich aus".
Darum „Komm' und sieh'", so lange es
Zeit! Ueber einen alten Meister kann man
ja eigentlich doch nur zu demjenigen mit
Nutzen reden, welcher wenigstens Ein eigen-
artiges Werk von ihm gesehen!

Neben der Malerei und längst vor ihr
blühte einst in unseren schwäbischen Reichs-
städten (Augsburg und Ulm allen voran)
die Bildnerei in hohem Grade. Sind auch
die Verfertiger ältester Bildhauerarbeiten fast
ganz unbekannt: viele leben noch in ihren
Werken und die zahlreichen kleineren Skul-
pturen in L-tein, Thon, Metall, Holz, Elfen-
bein und anderen Stoffen (vom 11.—18. Jahr-
hundert), welche dem Ausstellungskomite in
Augsburg fast ausschließlich von Privaten
und von Kirchenverwaltungen anvertraut wur-
den — die öffentlichen Sammlungen ver-
hielten sich gegen dasselbe ziemlich zugeknöpft
— sind beredte Zeugen von dem Umfang
sowohl als der Meisterschaft ihrer Kunst-
thätigkeit. Zu den ältesten plastischen Werken
gehört der elfenbeinerne Stab des Abtes
Reginbald von St. Ulrich mit figürlichen
Verzierungen aus der ersten Hälfte des 11.

Jahrhunderts. Desgleichen Broncesiguren
von Maria und Johannes aus derselben Zeit;
ferner ein Reliquiarinm aus Holz aus dein
13. Jahrhundert und eine Kreuzignngsgruppe
(Nr. 527) aus dem 14. Jahrhundert. Aus
dem 15. Jahrhundert sind verschiedene hölzerne
Statuetten unb Reliefs und u. a. ein elfen-
beinerner Reliquienschrank ansgestellt. Mit
letzterem, sowie mit dem herrlichen von Jörg
Syrlin in Ulm geschnitzten gothischen Schrank
— er ist so vortrefflich erhalten, als wäre
er erst gestern ans des Meisters Hand ent-
sprungen — stehen wir, ohne daß wir uns
bewußt wären, das Gebiet der eigentlichen
Kunst (Skulptur) verlassen zu haben, schon
auf dem Felde des Knnsthandw erks.
Beide können auch nicht — sollen nicht ge-
trennt werden. Am besten gedeihen sie im
Verein! Dann gibt die Kunst dem Handwerk
den feinen Geschmack, den idealen Flug; das
Handwerk der Kunst die praktische Richtung
und den soliden Untergrund Es waren die
schasfensfreudigsten Zeiten, da Künstler (im
engeren Sinne) und Kunsthandwerker sich
nicht von einander trennen ließen. Da war
gar mancher Tischler ein Bildschnitzer ersten
Ranges; da bewährte sich mancher Goldschmied
als ein Bildner von sehr hoher Bedeutung.
Schmiede und Schlosser, Lederarbeiter und
Weber, Schreiber und Drucker hatten damals
häufig eine echt künstlerische Ader, und Künst-
ler im vollen Sinne des Wortes verschmähten
nicht, im Schweiße ihres Angesichtes auch
den Gegenständen des Alltagslebens und den
Stoffen, die für künstlerische Verwerthnng
nicht tauglich schienen, den Stempel ihres
Geschmackes, ihrer Erfindungsgabe und un-
erreichten Technik aufzudrücken. Jeder Zweig
der Ausstellung des altschwäbischen Kunst-
gewerbes enthält Beweis? für das Gesagte.

Ist Schmiedearbeit eine Kunst? Sie war
es und sollte es noch sein! Wer's nicht glaubt,
der gehe nach Augsburg und mustere all die
kunstvoll gefertigten Schlösser, Schlüssel,
Thürbänder, Thürgrisse, Beschläge aus Eisen
oder Messing: alles Werke altschwäbischer
Schmiede und Schlosser. Ihre Wand-, Steh-
Tabernakellenchter und vor allem ihre aus-
gezeichneten Gitter ans Eisen scheinen an
Biegsamkeit und Ueppigkeit der Ausführung
mit den zierlichen Kunstwerken aus Edel-
metall zu wetteifern. Man sehe das herrliche
Gitter zum Grabmonument des Cyriacus
Weber ans dem 16. Jahrhundert und ein
Gitterthürchen mit wunderbar schönem ge-
triebenem Blumenornament ans derselben Zeit
(Nr. 865 und 875).

Nichts scheint feinerer Kunstbehandlnng
ferner zu liegen als — Leder. Augsburg
lehrt, was auch dieses unter den Händen von
 
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