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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 9
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Detzel, Heinrich: Mariä Verkündung in der christlichen Kunst, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0097

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93

oft als stehend, findet man die hl. Jungfrau
besonders in den frühern italienischen Bil-
dern, so z. B. bei Angelo Gaddi (gest.
1396) im Dome zu Prato; Spinello
Aretino (gest. 1410) in einer innig zarten
und frommen Darstellung im Pal. Borghese
zu Rom; S i m one M e m m i; A m b r o -
g i o L o r e n z e t t i (um 1330) in dem schönen
Bilde der Akademie zu Siena; Fiesole
in den Uffizien zu Florenz, aus dessen Schule
ein ungemein zartes, feierliches Bildchen in
der Galerie zu Dresden (Nr. 19); Lo-
renzo Monaco (1370 —1425) in dem
Altarbilde aus der Abteikirche zu Cerreto,
jetzt in den Uffizien zu Florenz; Alesso
Baldovinetti (1427—1499) in S. Mi-
niato bei Florenz; Antonio und Piero
Pollajuolo (1441 bis ca. 1496) im Museum
zu Berlin n. a.

Aber trotzdem, daß so bedeutende Meister
die hl. Jungfrau sitzend darstellen, halten
wir erstere Art der Auffassung, in der Maria
knieend gedacht ist, doch für die richtigere,
weil in ihr mehr die Demuth zum Ausdrucke
kommt und sie überhaupt der Würde des
hohen Geheimnisses entsprechender ist. Als
besonderes Attribut hat die hl. Jungfrau auf
den Verkündigungsbildern die Lilie ohne
Staubgefäß als symbolischen flos Mariae ge-
wöhnlich zu ihren Füßen.

Der Engel Gabriel, der Engel der
Verkündigung, wird in weißem Gewände,
Diakonengewande, abgebildet, wodurch nicht
nur die himmlische Reinheit, sondern auch
seine priesterliche Eigenschaft angedentet ist;
er hat gewöhnlich einen Lilienstengel, oft aber
auch einen Stab mit dem Kreuze, wie schon
im Cod. Egberti, oder ein Scepter, das
Attribut eines Heroldes, daran eine Schrist-
rolle mit den Worten t »Ave Maria gratia plena«
in der Hand; die Rechte hebt er wie segnend
oder sprechend empor. Seine Haltung ist
gemäß seiner erhabenen Sendung würdevoll,
ernst und ruhig. Die Flügel sind wesentlich,
und niemals weggelassen; sie sind entweder
weiß oder buntfarbig, beäugt wie ein Pfauen-
schweis oder in Gold getaucht. Was des En-
gels Stellung anlangt, so ist er auf den griechi-
schen Gemälden und auf den ältern italie-
nischen Bildern stehend gezeichnet, kommt
aber vielfach auch knieend zur Darstellung,
nicht, weil er vor Maria als der Königin
des Himmels erscheint, wie man schon ge-
meint, sondern als Zeuge des über die Sin-
nenwelt hinausgehenden Wunders, als Aus-
druck der Anbetung dessen, der durch die
überschattende Wirkung des hl. Geistes gegen-
wärtig ist. Maria wird ja durch das Ge-
heimniß der Menschwerdung, in Hinsicht auf
das Eingehen Gottes in die Welt und auf

seine Gegenwart in ihr, im vollendetsten
Sinne vornächst Arche des Bundes, Thron
und Tabernakel des Höchsten, sein Aller-
heiligstes. Daher erscheint der Engel vor
ihr mit Recht in knieender Stellung. Nach
den Worten desselben (Luc. 1, 35) muß auch
die Anwesenheit des hl. Geistes ans den
historischen Verkündigungsbildern erklärt wer-
den; die sichtbare Gestalt der Taube ist kon-
ventionell und schon auf den ältesten dies-
bezüglichen Bildern, z. B. in Maria Maggiore
zu Rom. Bald schwebt die Taube oberhalb
der'hl. Jungfrau, manchmal fliegt sie zum
offenen Fenster herein, manchmal sitzt sie auf
dem Haupt der hl. Jungfrau, letzteres be-
sonders bei Skulpturen, z. B. ursprünglich
bei dein berühmten „Englischen Gruße" von
Veit Stoß (1447—1533) in der St. Lorenz-
kirche zu Nürnberg. Die geheimnißvolle
Ueberschattung ist früher auch durch von der
Taube ausgehende Strahlen nach den: Ohre
der hl. Jungfrau hin angedeutet worden.
Christus ist das Wort nach Johannes und
das Wort findet Eingang durch das Ohr.
In einem alten Kirchenliede heißt es:

Dum Verbum aure percipis,

In verbo Verbum concipis.

Neuerdings ist diese Auffassung z. B. wieder-
holt von J o h. Klein in seinen Zeichnungen
nach der Armenbibel.24)

In dem Mysterium von Mariä Verkündi-
gung oder der Menschwerdung Jesu Christi
haben wir zugleich noch ein anderes, höchstes
Geheimniß zu erkennen, nämlich die that-
sächliche O f f e n b a r u n g der Trinität.
Der „Allerhöchste" heißt dem Israeliten gerne
der Gott seines Bundes, zu dem er mit un-
begrenzter Ehrfurcht emporblickt: hier wird
zum ersten Male diesem Gott ein Sohn
an die Seite gegeben, der ihn selbst als Vater
erscheinen läßt und zwar der Sohn der Jung-
frau soll zugleich „Sohn des Allerhöchsten"
heißen. Mag das angeregte Verhältniß von
Vater und Sohn im Augenblicke noch dunkel
sein, das Geheimniß der Dreieinigkeit, das
bisher noch wie unter einem Schleier sich dem
Israeliten verbarg, entfaltet hier leise aber
bestimmt die ungeahnte Fülle seines Inhaltes.
In dem Augenblicke, da der Engel den un-
mittelbaren Abschluß, das erreichte Ziel des
alten Bundes verkündet, vollendet sich auch
die Offenbarung des trinitarischen Geheim-
nisses, denn die Menschwerdung selbst, indem
der „Sohn" des ewigen „Vaters" durch
Ueberschattung des „hl. Geistes" in der

24) Vgl. Die göttliche Offe nbarun g von
Jesus Christus nach der sogenannten Armenbibel,
herausgegeben von Dr. Schwarz. Mit 28 Bil-
dern von Prof. Klein. 2. Ausl. Herder, Frei-
burg.
 
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