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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 9
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Detzel, Heinrich: Mariä Verkündung in der christlichen Kunst, [3]
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Geschlossene Kirchen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0098

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94

Jungfrau Fleisch annimmt, ist nur die
thatsächliche Offenbarung des drei-
einigen Gottes.^) Diesem Gedanken
hat denn auch die christliche Kunst in vielen
Darstellungen der Verkündigung Raum ge-
geben, indem sie außer dem Bilde der Taube
auch die Gestalt des himmlischen Vaters,
allein oder von Engeln umgeben, in ihren
diesbezüglichen Werken anbrachte, so schon
auf einem schönen Tafelbilde in der Akademie
zu Florenz, wohl aus dem Ende des
13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts, das
Pietro Cav all in i zugeschrieben wird;
Gott Vater, oben in einem Kranze von
Engeln, sendet die Taube; ferner sehen wir
diese Auffassung bei Fiesole in einem
Fresko in S. Marco ju Florenz; Fra
Filippo Lippi in der Pinakothek zu
München;Si gn orelli in dem oben genann-
ten Bilde des Domes zu Volterra; Ma-
riotto Albertinelli in seiner Verkündi-
gung in der Akademie zu Florenz; besonders
innig zart und schön ist das betreffende Bild
das Niccolo Alnnno in der Galerie zu
Perugia. Die hl. Jungfrau kniet hier, die
Hände gekreuzt, in einem Betstühle, der Engel
noch halb schwebend und im Begriffe sich ans
die Kniee niederzulassen, ebenfalls mit ge-
kreuzten Armen, hält eine Lilie in der Hand.
Oben erscheint Gott Vater, umgeben von
einem Kranze von Engeln, und sendet in
einem Lichtstrahle den hl. Geist in Tauben-
gestalt.

Alle andere Beigaben und Abweichungen
aber, namentlich die im Mittelalter oft vor-
kommende Art, die überschattenden Strahlen
durch eiu Heilandsseelchen, das vom himm-
lischen Vater ausgeht, zu theilen, — offen-
bar, um das Geheimniß der Trinität noch
deutlicher den Beschauern vor Augen zu
führen — sind nicht nachzuahmen. Prof.
Klein hat in neuester Zeit diese Art der
Darstellung der Inkarnation durch ein kleines
nacktes Kind wieder aufzunehmen gesucht, ihm
aber eine andere Stellung gegeben, als es
die altdeutschen Maler thaten, die es ge-
wöhnlich, wie z. B. auf einem Fresko der
Kirche zu Terlan in Tirol (von ca. 1400),
in den Strahlen mit Blitzesschnelle vom
Himmel fahren lassen. In einem Glasge-
mälde zu Havixbeck uämlich, bei Münster
in Westphalen, wo die fünf Geheimnisse des
freudenreichen Rosenkranzes dargestellt sind,

25) »Conceptionem corporis Christi tota Tri-
nitas est operata: attribuitur tarnen hoc Spiri-
tui sancto triplici ratione« sagt der hl. Thomas
von Aquin, und er gibt diesen dreifachen Grund
an in seiner Lumina t. t. p. 3, qu. 32, a. I. Vgl.
Dr. Grimm, Leben Jesu nach den vier Evan-
gelien. Regensburg. Bd. I., p. 150.

sehen wir beim ersten Geheimniß zu oberst
in dem Dreipasse den thronenden Gott Vater,
darunter im Spitzbogen des Fensters das
nackte Christuskind mit Kreuzesnimbus und
in einer Mandorla stehend, unter ihm dann
die Taube und wieder unter dieser das
Medaillon mit der hl. Jungfrau und den
Verkündigungsengel. In andern seiner Zeich-
nungen hat Klein Gott Vater bloß durch die
segnende Hand dargestellt.

Hiemit glauben wir eine ziemlich er-
schöpfende Abhandlung über die Art und
Weise, wie die Verkündigung in den ver-
schiedenen Kunstepochen dargestellt wurde, ge-
geben zu haben. Es ist, wie wir oben bemerkt,
kein Gegenstand von der alten Kunst häufiger
vorgeführt, tiefer gefühlt und schöner be-
handelt worden, als dieser, die wichtigste aller
Scenen aus dem Leben der hl. Jungfrau.
Auch bloß als Kunstgegenstand betrachtet,
ist sie im höchsten Grade schön, denn sie
stellt sa die zwei schönsten Gestalten vor,
welche die menschliche Hand künstlerisch zu
bilden vermag, den gerade aus dem Paradiese
kommenden, geflügelten Geist und die nicht
weniger reine hl. Jungfrau, das auserwählte
Gefäß der Erlösung. Wie peinlich für das
christliche Gefühl ist es darum, wenn man,
besonders in der Spätrenaissance Darstellungen
sieht, in denen die hl. Jungfrau zu einem
alltäglichen weiblichen Wesen degradirt ist,
der Engel wie ein fliegender Merkur oder
wie ein Ballettänzer daherkommt und zudem
noch seine Gewandung verletzend ärmlich, ja
geradezu unziemlich ist! Wir haben herr-
liche Muster für unser Sujet aus der altern
Zeit und zwar in großer Anzahl, mögen
die christlichen Künstler unserer Tage sie zum
Vorbilde nehmen!

Geschlossene Kirchen.

Wohl schon mancher, der gewohnt ist,
ans seinen Reisen vor allem auch den
Kirchen seinen Besuch abzustatten, hat mit
uns das Gefühl freudiger Erleichterung
getheilt beim Uebergang vom protestanti-
schen ans katholischen Boden, schon um
deßwillen, weil er wußte oder erwartete,
daß hier die vielerlei Plackereien wegfallen
würden, welche das Erfragen und Auf-
suchen des Mesners mit sich bringt, und
daß man frei in jede Kirche eintreten könne.
Aber er wird dann auch unsere Entrüstung
getheilt haben, wenn seine sichere Hoss-
nnng und Erwartung sehlschlng und er
in ganz katholischen Ländern und Gegenden
überall vor geschlossene Kirchen kam. In
 
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