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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 10
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Prill, Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [12]: Gewölbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0101

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Archiv für christliche Kunst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Runst.

Eerausgegeben und redigirt von Professor Dr. Keppler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözefan-Aunftvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr, Keppler.

Or. io.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die württemb. <M. 1. 90
im Stuttg. Bcstellbczirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die Rcichspostanstaltcn,
fl. 1. 27 in Oesterreich, Frcs. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags
direkt von der Expedition des „Deutschen Bolksblatts" in Stuttgart, llrbansstrahe 94
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.

1886,

Grammatik der kirchlichen
Baukunst.

Von Joseph Prill.

(Fortsetzung.)

2. Gewölbe.

a) In der Geometrie nennt man einen
Theil des Kreisumfanges einen Bogen;
in der Baukunst gehört zum vollen Begriff
des Bogens mehr. Wenn in einer Mauer
die wagerechten Schichten so unterbrochen
sind, daß sie eine nach oben halbrunde
Oesfnnng freilasfen, so ist die obere Be-
grenzung dieser Oeffnung zwar bogen-
förmig, aber kein Bogen. Soll ein Bo-
gen entstehen, so müssen die Steine, welche
den Halbkreis bilden, senkrecht gegen die
Bogenlinie oder, was dasselbe ist, in der
Richtung des Bogenradius gestellt sein und
sich also gewissermaßen um die Rundung
herumschwingen (vergl. die Fensteröfsnung
in Fig. 90 c.). Die einzelnen Steine sind
nun Keile, die nicht unmittelbar ans einer
Unterlage ruhen, sondern nur durch
den Druck, den sie auseinander
a u s ü b e n, i n d e r S ch w e b e erhalten
werden. Nach dem bekannten physikali-
schen Gesetze vom Keile ist der Druck des
einzelnen Steines um so bedeutender, je
senkrechter die Druckfläche, d. h. die Fuge
zwischen ihm und dem zunächst vorhergehen-
den Steine ist; alle zusammen aber drücken
mit vereinigter Macht seitlich gegen die
Mauertheile, zwischen denen der Bogen
sich wölbt, und es müssen dieselben daher
ausreichende Stärke haben, um diesem zu-
sammengesetzten Schube zu widerstehen.
Sie heißen wegen dieser ihrer Aufgabe
auch Widerlager.

Die zunächst liegende Bogenform ist der
Halbkreis, bei welchem Mittelpunkt
und Fußpunkte in einer und derselben
wagerechten Linie liegen. (Fußpunkte heißen
die Punkte, bei denen die Wölbung beginnt.)

S. Fig. 87. Schneidet man von unten
ans beiderseits ein Stück von dem Halb-
kreisbogen ab, so kommen die Fußpunkte
der Wölbung höher zu liegen als der Mit-
telpunkt, und das übriggebliebene Kreisstück
heißt S t i ch b o g e n (wie bei der Holzdecke
Fig. 86). Schneidet man dagegen oben
aus der Mitte des Bogens ein mehr oder
minder großes Stück heraus und schiebt
die übrig gebliebenen Seitenstücke (Schen-
kel) wieder zusammen, so erhält man einen
Spitzbogen, so genannt, weil sich oben
in der Mitte nun ein Knick befindet, der
eine um so mehr ausgeprägte Spitze bil-
det, ein je größeres Stück ans der Mitte
des Bogens ausgefallen ist. Durch das
Zusammenschieben der Schenkel ist auch
der eine gemeinsame Mittelpunkt des
Halbkreises in zwei anseinandergeschoben.
(S. Fig. 88 und unten Fig. 100 und 101.)
Da beim Stichbogen die mehr senkrecht
stehenden, beim Spitzbogen die mehr wage-
recht liegenden Keilstücke im Vergleich zum
Rundbogen überwiegen, so muß über der-
selben Oeffnung ein Stichbogen mehr, ein
Spitzbogen weniger nach außen schieben als
ein Rundbogen.

Neben diesen Hauptbogenformen kommen
auch noch andere vor, liegende und stehende
Ellipsen, ovale und Korb-Bögen (welche
aus mehr als zwei Mittelpunkten geschla-
gen sind) n. s. w.

Die Weite zwischen den Fnßpunkten
eines Bogens nennt man seine Span-
nung, die höchst Stelle im Bogen seinen
Scheitel, die Höhe dieses über den Fuß-
punkten Scheitelhöhe oder Pfeil-
höhe, bei Stichbogen auch Stichhöhe,
der Stein endlich, welcher im Scheitel sich
befindet und den Bogen vollendet oder
schließt, heißt Schlußstein.

Eine solche Wölbung behält den Namen
Bogen, so lange sie in der Tiefe nicht
über ein gewisses Maß, etwa die Mauer-
 
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