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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 11
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Prill, Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [13]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0110

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106

gothischen Stils stehende Kirche aus jener
Gegend Frankreichs darstellt, in welcher
der byzantinische Einfluß sich zur Zeit des
romanischen Stils geltend gemacht. Wie
der Grundriß erkennen läßt und der da-
rüber stehende Aufriß deutlich macht, ist
die Kuppel in das von den Gurtbögen
umschlossene Viereck eingeschrieben, und
die übrig bleibenden Ecken enthalten Wölbe-
dreiecke (sog. Pendantifs), welche über
den Gurten einen kreisrunden Fuß für die
Kuppel bilden. Der Beginn der halb-

Fig. 95. Kuppel mit hineinschneidcndcn Gurte».

kugelförmigen Kuppel ist dann noch durch
eine vortretende Leiste betont. Die Pen-
dantiss selbst waren gegen Einsturz da-
durch vollständig gesichert, daß jede Schicht
einen — wenn auch zuweilen sehr flachen
— Bogen bildete, der auf den Gurtbögen
seine Widerlager fand. — Oder man ließ
die Kuppel selbst in beit Winkeln des
Vierecks aus gleicher Grundlinie mit den
Gurten beginnen, so daß diese letzteren in
die Kuppel Hineinschneiden, wie Fig.
95 anschaulich macht. Während im erste-
ren Fall der Durchmesser der Kuppel, gleich
der Quadrat feite ist, ist er im letzteren

der Diagonale gleich, die Kuppel also
dem Viereck um geschrieben. Uebrigens ist
in beiden Fällen die Entwicklung bis zum
Scheitel der Gurtbögen ganz gleich, nur
wird im ersten Fall die Kuppel, von der
nur die vier Zipfel vorhanden sind, in
der Scheitelhöhe der Gurten abgesetzt und
es setzt sich eine neue kleinere Kuppel da-
rauf. Im zweiten Falle wird sie vollstän-
dig ausgesührt, es ist aber darum auch
der über den Scheiteln der Gurte liegende,
vollständig runde Theil derselben sehr flach
(weil nur das oberste Stück einer ganzen
Kuppel). Die Pendantifs oder Zwickel
bei der ersten Art werden auch sehr häufig
durch andere Ueberleitungen —• sich über-
einander kragende Bögen oder Tragsteine,
muschelsörmige Gewölbchen u. bergt. —
ersetzt.

d) Im Mittelalter tritt das Kreuz-
gewölbe entschieden in den Vordergrund.
Das römische Kreuzgewölbe konnte in-
deß den veränderten Anforderungen nicht
genügen, und es macht sich daher sogleich
das Streben geltend, diese todte, starre
Masse zu einem lebendigen Organismus
umzuformen, was auch dem durchdringen-
den, fein abwägenden Geiste der mittelalter-
lichen Meister dadurch gelang, daß sie die
Vorzüge der Kuppelwölbung mit der Grund-
form des Kreuzgewölbes zu verbinden
wußten. So entstand eine Wölbeart, welche
an Freiheit, Leichtigkeit und Anmut bis
jetzt noch unübertroffen dasteht, das go-
th isch e Rip p enge w ö lb e.

Im römischen Kreuzgewölbe (s. o. Fig.
92) waren durch ein Maß alle anderen
von selbst bestimmt, die Höhe betrug ja
die Hälfte der Weite und diese mußte aus
allen vier Seiten gleich sein. Die Linien
aber, in welchen die Gewölbetheile über
den Diagonalen des Quadrates zusammen-
schnitten, ergaben genau eine halbe liegende
Ellipse, deren Höhe (d. h. der halben El-
lipse) gleich ist der Scheitelhöhe des Ge-
wölbes, die Breite aber gleich der Dia-
gonale der Gewölbespannnng, so daß
die Höhe zur Breite sich ungefähr wie
5 : 14 verhält: eine gedrückte,, in dem
mittleren schwersten Theil sehr flache und
darum wenig feste Wölbelinie. Bei den
römischen Gußgewölben mochte es ja we-
nig zu bedeuten haben, da sie zu einer
starren Masse zusammenbuken, im Mittel-
 
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