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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 11
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Prill, Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [13]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0111
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107

alter aber, wo man weder die riesigen
Massen zur Verfügung hatte wie die Rö-
mer, noch auch die Tausende von Sklaven-
armen und größtenteils auch nicht das
vorzügliche Bindematerial, wo man demnach
möglichst leicht bauen mußte, siel dieser
Umstand ganz bedeutend in die Wag-
schale. Denn von der Festigkeit die-
ser Linien h i e n g die F e st i g k e i t
des ganzen Gewölbes ab. Von
allen in das Krenzqnadrat fallenden Bö-
gen sind nämlich die unteren Theile durch
die gegenseitige Durchdringung abgeschnit-
ten und zwar um so mehr, je näher sie
der Mitte kommen, und vom mittelsten
Bogen bleibt nur der Schlußstein. Alle
Fußpunkte der übrig bleibenden Bogen-
stücke befinden sich nun in der Schwebe
und liegen in den über den Diagonalen
sich bildenden Ellipsen, haben demnach nebst
den aus ihnen ruhenden Bögen nur inso-
fern festen Halt, als die Diagonalbögen
selbst ihn haben. Bon der Festigkeit d i e-
s e r Linien hängt somit die des ganzen
Gewölbes ab und es mußte darum um so
unangenehmer empfunden werden, daß ge-
rade diese Bögen sich in einer Linie von
so geringer Festigkeit bewegten.

Um dem Uebelstand abzuhelfen, konnte
man auch die Diagonallinien nach der
Kreisform bilden. Dann ergab sich Fol-
gendes. Wenn auch nur ein Theil des
Halbkreises genommen wurde, so mußte
er doch •— sollte er anders nicht eben so
flach sein als die Ellipse — sich bedeutend
über den bisherigen Gewölbescheitel erheben.
Dann verloren aber die vier Gewölbestücke
sofort ihre eylindrische Form, sie mußten
nach der Mitte hin steigen und sich er-
weitern, (näherten sich also der Form einer
Düte) in Folge davor: wiederum mußten
die parallelen Schichten nach der Mitte
hin breiter werden oder aber sich immer
mehr von der geraden Linie entfernen, und
im letzteren Fall ergab sich, da sie dann
zur Bogenlinie schief zu liegen kamen, in
diesen Schichten selbst ein leiser Bogen,
eine für die Festigkeit der einzelnen Schich-
ten ebenso vortheilhaste wie für das Auge
angenehme Form. Daher man sich dann
nicht scheute, allen Schichten eine
leiche Biegung zu geben. Ein solches Ge-
wölbe zeigt Fig. 96 (vgl. dazu Fig. 92),
Der Diagonalbogen konnte aber immerhin

nur ein Theil des Halbkreises sein (d. h.
der Mittelpunkt liegt unterhalb der Grund-
linie), seine Linie entfernte sich also vom
Fußpunkte aus in einer mehr schiefen und
schnelleren Bewegung als die anderen Bö-
gen, wodurch dort sehr scharfe Kanten
entstehen mußten. Einen je größeren Theil
vom Halbkreis man nahm, desto weniger
scharf wurden diese Kanten in den Fuß-
punkten, desto höher erhob sich aber auch
der Scheitel und desto mehr näherte sich
das ganze Gewölbe der Knppelform und
gi eng ganz in diese über, wenn
die Diagonalen nach einem vol-
len Halbkreis gebildet wurden,
wie Fig. 95 b zeigt, wo die Diagonalen
punktirt angegeben sind.

Um Letzteres zu vermeiden und doch den
Diagonalen die starke und schöne Linie
eines vollen Halb-
kreises geben zu
können, griff man
im 12. Jahrhundert
zu einem anderen
Ausweg, den Fig.

97 veranschaulicht.

Sollte das Gewölbe QC

Frg. 96. Romanisches

Nicht kuppelförnug Kreuzgewölbe,

werden, so mußten

nämlich die Scheitel der Diagonalen wie-
der, wie es beim römischen Kreuzgewölbe
der Fall war, in gleicher oder wenigstens an-
nähernd gleicher Höhe mit den Gurten stehen.
Nachdem nun der Mittelpunkt des Gewölbes
erhöht war, erhöhte man jetzt auch die
Gurtbögen und damit die ganzen Scheitel-
linien der einzelnen Gewölbeabtheilungen,
und zwar bewirkte man die Erhöhung da-
durch, daß man die Grundlinien der Gurt-
bögen höher legte als die der Diagonal-
bögen, m. a. W. ein senkrechtes Stück unter
dieselbe setzte. Man nennt das „Stelzen" ;
so ist in Fig. 97 b der Gurtbogen um
das Stück a gestelzt, der Schwung der
Wölbung beginnt nämlich erst bei dem
Punkte cl während die Wölblinie der
Diagonalen auf den Simsen der Pfeiler
beginnt. — Auch bei dieser Anordnung
werden die Gewölbeanfänge ziemlich scharf,
wie aus den punktirten Eckchen b und c,
welche den Höhen b und c im Aufriß
entsprechen, ersichtlich ist, ja wenn nicht
der Gewölbeanfang schon sogleich mit einem
kleinen Quadrat vor die Gurten heraus-
 
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