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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 12
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Die Generalversammlung des Rottenburger Diözesanenkunstvereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0123

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119

gebrochen worden ist. Das 13. und 14. Jahrh.
war überhaupt die Glanzepoche der Reichsstadt
Eßlingen; nach 1450 erbleichte ihr Stern vor der
wachsenden Macht Württembergs, welche das Eß-
linger Stadtgebiet rings umklammerte. Von 1325
an entstand au bedeutenderen kirchlichen Bauten
nur noch die Frauenkirche. Die Reformation
wurde 1531 eingeführt, und noch im gleichen Jahre
zertrümmerten die Bilderstürmer die meisten Al-
täre und sonstigen kirchlichen Bildwerke. Wenige
Jahre später erfolgte die Aufhebung sämnitlicher
Klöster, deren Bauten dann so mangelhaft kon-
servirt wurden, daß nicht wenige davon schon
vor der Mediatisirung Eßlingens abgängig ge-
worden waren. Von den um 1800 noch vor-
handenen Ueberresteu sind in den ersten 40 Jahren
des neuen Regiments ungefähr ebensoviele ab-
gängig, oder durch Umbauten bis zur Unkenntlich-
keit entstellt worden, als in den vorhergehenden
250 Jahren. Seit 1840 aber haben die Eßlinger
durch ihre rühmenswerthe Thätigkeit und Lpfer-
willigkeit für Erhaltung der noch übrigen Bau-
denkmäler gezeigt, daß diese Sünden nicht eine
Folge ihres Wesens, sondern lediglich der allge-
mein herrschenden Zeitrichtung waren. Dank die-
ser Konservirungsbestrebungen sind nun noch
relativ gut erhalten:

1) Die St. Diouysiuskirche (Stadtkirche).
Sie steht vielleicht auf der Stelle der karolingi-
schen Vitaliskapelle. Urkunden über ihre Grün-
dung sind nicht vorhanden. Doch lassen die tech-
nischen und stilistischen Merkmale mit Sicherheit
die nachbenannten 4 Bauabschnitte unterscheiden:
a. Die Theile des Uebergangsstils, d. i.
die unteren Geschoße beider Thürme bis auf Chor-
höhe, ca. 1225—1240. b. Die frühgothi-
f cf) e n Theile, nämlich die 5 östlichen Schiff-
joche, der Chor, ca. 1240—1260, und die oberen
Stockwerke des Nordthurmes, 1280—1300. c.
Die hochgothi scheu Theile, d. i. die 2 west-
lichen Schisfjoche und die Mehrzahl der Seiteu-
schifffcnster-Maßwerke, ca. 1320—1350. d. Die
spätgothischen, in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts entstandenen oberen Geschoße
des Südthurmes und die reichen Einbaustücke,
Lettner und Sakramentshaus von i486, die Chor-
stühle von 1518. Die am Südthurm befindlichen
schwerfälligen Strebepfeiler wurden erst 1549
angcbaut. Diejenigen vorn Nordthurm stammen
aus dem 14. Jahrhundert. Kanzel und Altar,
sowie einige Inschriften sind Deutschrenaissance.
Die Glasmalereien in den Chorfenstern mögen
vor 1400 entstanden sein.

In geringer Entfernung südlich von der Dionys-
kirche steht die zweistöckige, ebenfalls aus dem 13.
Jahrhundert stammende Allerheiligen-Ka-
pelle. Im oberen Stockwerk ist jetzt das städ-
tische Archiv; das untere ist in Privatbesitz und
dient als Magazin.

2) Die Dominikanerkirche, jetzt Pauls-
kirche, oder katholische Kirche genannt. Sie wurde
1240—1248 erbaut und im letztgenannten Jahre
nebst ihren 6 ersten Altären von Albertus Mag-
nus, Bischof zu Regensburg, eiugeweiht. Wie
sich dazu anderweitige geschichtliche Angaben ver-
halten, welche besagen Albertus Magnus sei nur
von 1260 bis 1262 Bischof von Regeusburg ge-

wesen, muß dahingestellt bleiben. Das südlich
an die Kirche angebaute Kloster ist wohl gleich-
zeitig entstanden, jedenfalls schon 1285 durch Ru-
dolph von Habsburg in der Richtung gegen den
Neckarkanal hin erweitert worden. 1482 wurden
die westlichen Joche des Mittelschiffes neu ge-
wölbt. Nach der Reformation erlitt die Kirche
einen Brand und blieb dann bis 1664 im Schutt
liegen. Ilm diese Zeit baten die Katholiken um
Ucberlassung derselben, doch ward sie nun alsbald,
1665—1804, unter dem Namen „Neue Kirche"
wieder für den evangelischen Gottesdienst in Be-
sitz genommen. Nach 1804 wurde sie zuerst als
Magazin und dann als Kelter benützt, bis sie
1861, also 200 Jahre nach dem ersten Versuch,
den Katholiken wirklich zu ihrem Gottesdienst cin-
gcrüumt worden ist. Das oftmals umgebaute
Klostergebäude zeigt noch einzelne Züge von seiner
ursprünglichen Architektur.

3) Die Franziskanerkirche (auch Bar-
füßerkirchc und hintere Kirche genannt). Das
Schiff dieser um 1237 erbauten Kirche hatte in
jeder Hinsicht große Aehnlichkeit mit dem Schist
der Dionysiuskirche, nur befanden sich dort statt
achteckiger Pfeiler runde Säulen, wie in der Do-
minikauerkirchc; es wurde 1840 bis 1850 nach
und itacf) abgebrochen. Jetzt steht von dieser
Kirche nur noch der schöne Chor und die Sst-
wand des Schiffes mit den angebauten 6 Altar-
kapellen, deren Formen die Entstehung im 13.
Jahrhundert beglaubigen. Auch die Bauformen
des Chores deuten, wenn nicht auf die Spätzcit
des 13., so doch auf den Anfang des l4. Jahr-
hunderts hin. In diesem für die kirchlichen
Zwecke nicht mehr benützten großen und edel ge-
stalteten Raume sind nun die merkwürdigeren
alten Baustücke von der Frauenkirche nebst alten
Epitaphien re. aufbewahrt.

4) Die Nikolauskapelle auf der innern
Brücke. Auch über die Bauzeit dieser Kapelle
finden sich keine urkundlichen Nachrichten, doch ist
sicher, daß sie vor 1430, wo ihrer gedacht wird,
bereits vorhanden war. Den Bauformen zufolge
gehört sie dem 14. Jahrhundert an. Eine ge-
nauere Datirung ist wegen der Erneuerung vieler
Theile nicht mehr möglich.

5) Die Frauenkirche. Sie ist an Stelle
einer älteren „Liebfraucnkirche" erbaut worden.
Genauere bautechuische Untersuchungen, welche
mit den urkundlichen Nachrichten nirgends in
Widerspruch kamen, haben folgende 6 Bauepochen
ergeben:

a) Der Bau des Chores von unten an bis
zum Schluß seines Gewölbes, aber ohne die Chor-
galerie und die Strebepfeilerschlüsse erfolgten zwi-
schen 1324 und 1332.

b) Der Bau der 3 östlich eil Schiffjoche
einschließlich ihrer Wölbung fand von 1350 bis
1360 statt.

c) Der Ball der 3 westlichen Schiff-
j o cf) e und des Thurmunterbaues bis einschließ-
lich ihrer Wölbung fällt in die Zeit von 1400
bis 1420.

d) Der Bau des ganzen Thurm Vierecks
von der Dachgalerie an und der Bau der unter-
sten 2 m des Thnrmachtecks erfolgte zwischen
1430 und 1449.
 
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