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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 1
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Prill, Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [15]
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Keppler, Paul Wilhelm von: Entwurf eines Renaissancealtars
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0007

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3

lebung großer Flächen, wie z. B. der
Vierung gegenüber den übrigen Gewölbe-
jochen, oder zur Zier kleinerer, für sich
ein geschlossenes Ganze bildender Neben-
ränme; anderseits könnte man aber auch
die Anwendung, welche sie und namentlich
die Netzgewölbe in der Spätgothik in so
ausgedehntem Maße fanden, mit Recht
einen Rückschritt nennen, denn die über-

Fig. 102. Michaelskirche (Kaihedralc) zu Carcassone.

ladene Zier führte in einem gewissen Grade
zur Schwerfälligkeit und Trockenheit der
Tonnengewölbe zurück.

In der vorigen Nummer ist bei Be-
sprechung der Gewölbeordnung ans Seite
114 unten eine falsche Illustration ein-
gefügt worden; wir geben hier die richtige
Figur 102, und bitten, auf diese das dort
Gesagte beziehen zu wollen.

(Fortsetzung folgt.)

Entwurf eines Renaissancealtars.

In dem Stil, in welchem ein Bau aus-
geführt ist, soll er auch vergrößert oder
restaurirt werden. Im Stil des Kirchen-
gebäudes soll auch dessen innere Ausstat-
tung gehalten sein. So lauten bekannte
Hauptgrundsätze der kirchlichen Kunst. Aber
ihre Geltung ist keine ganz unbedingte,
und sie wollen nicht mit mechanischer Kon-
sequenz und Strenge durchgeführt sein.
Soll z. B. ein im ausgelassensten spät-
gothischen Stil errichteter Kirchenbau ver-

größert werden, so ist man keineswegs
unter allen Umständen in der Weise an
den Stil des Hauptbaues gebunden, daß
man alle phantastischen Auswüchse des-
selben am Anbau reproduziren müßte. Und
wenn eine Kirche, wie die Schöpfungen
des Finanzkammerstils, eigentlich jeden
Stiles entbehrt, so hat man gewiß keine
Pflicht, auch bei Entwürfen für Altäre,
Kanzel re. möglichste Stillosigkeit anzu-
streben. Oder wenn eine Kirche im
excessiven Barokstil gebaut ist, so liegt
darin weder Nöthigung noch Berechtigung,
die Altäre für dieselbe in derselben exces-
siven Art Herstellen zu lassen.

Wie ist nun die Frage zu beantworten,
welcher Stil für Altäre in R e-
n a i s s a n c e- und Z o p f k i r ch e n a n-
gewendet werden soll? Man hielt
sich hier von der Pflicht der Wahrung
der Stileinheit ebenfalls für entbunden,
ja man verbot aufs Strengste, die Stil-
sünde des Baues an der Inneneinrichtung
aufs neue zu begehen.

Dieses Verbot ist jedenfalls im Recht,
soweit es sich gegen den Zopf- und
Barokstil kehrt. Altarneubauten dieses
Stiles wird man unter keinen Umständen
befürworten können. Da der genannte
Stil nur eine verschlechterte Auslage der
Renaissance ist, so soll man für das
Schlechtere das Bessere, für das Unedle
das Edle nehmen und sich also hier an
den reinen Renaissancestil halten; Altäre
von diesem Stil werden dann mit allem,
was an einem Zopfbau noch Gutes und
Charaktervolles ist, harmoniren, mit dem
andern brauchen sie keine Fühlung und
Verwandtschaft zu haben.

Ein absolutes Verbot des Renais-
s a n c e st i l s selbst aber kann natürlich nur
der Anschauung entfließen, daß derselbe
in sich verwerflich, unkirchlich, unerlaubt
sei. Theilt man diese Anschauung nicht,
weil sie nicht begründet werden kann, so
kann man auch jenes Verbot nicht aufrecht
erhalten. Dann wird man für jene frag-
lichen Kirchen auch Altäre des Renaissance-
stils zulafsen und empfehlen, weil man es
für unrecht hielte, die Renaissance, wenn
sie in ihrer edlen Schönheit und Reinheit
auftritt, von der Schwelle des Gottes-
hauses wegzuweisen.

Einer derartigen Erlaubniß und Em-
 
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