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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 2
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Keppler, Eugen: Ueber Ableitungen von Christlichem aus dem Heidenthum, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0020

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16

welche ihre Hand nach der Frucht eines
Baumes ausstrecken, während hinter der
weiblichen Gestalt eine Schlange sich bäumt.
Die Ergebnisse seiner Forschung faßt Fischer
S. 316 in Folgendem zusammen: „Die Inder
erkannten den Gottesfeind in dem Drachen
Vritra; die Perser verabscheuten ihn als
die Schlange Dahüka; die Babylonier und
Assyrier faßten ihn bald als Drachen, der
im Himmel eine Revolution hervorrief, auf,
bald als Schlange, welche die ersten Men-
schen verführte; die alten Aegypter wußten
von ihm in der Schlange Apepi, sowie
auch die Bibel bekanntlich den bösen Dä-
mon, sowohl den großen Drachen als die alte
Schlange nennt. Desgleichen stimmen alle
diese Völker in ihren Anschauungen über den
Ausgang des Kampfes der Gottheit mit ihrem
Widerpart überein, indem sie alle den Dä-
mon überwinden, aber nicht vernichten las-
sen." „Im deutschen Norden bekämpfte
Thor die Mitgartschlange; ebenso streiten
nach dem göttlichen Vorbild Sigfrit, Otnit
und Wolfdietrich mit dem greulichen Lind-
wurm." (Sepp, III. 8.)

So waren denn diese Heiden bis aus
einen gewissen Grad christlich unke Chri-
stum ? Ja, insoweit sie von dem reichen
Erbe ursprünglicher Offenbarung zehrten.
So findet sich denn manche Grundan-
schauung des Christenthnms schon im Hei-
denthum? Ja, weil überhaupt im Heiden-
thum auch Christliches, d. i. acht und ur-
sprünglich Menschliches und Wahres sich
findet. Nach diesem seinem Wahrheits-
gehalt konnte auch das Heidenthum ein
Vorläufer des Christenthums sein: „Ist
nicht Christus älter als die Welt, liegt
nicht der göttliche Logos aller meuschheit-
lichen Entwicklung zu Grunde?" — und
es mußte sogar ein Vorläufer des Chri-
stenthums sein, „weil das Christenthum
als die Weltreligion alle Wahrheit, wo
und wie sie irgend einmal sich fand, in
sich vereinigte und zur klaren Darstellung
brachte." (Lasaulr und Sepp.)

Es ist demnach nicht zu verwundern,
daß auch die Heiden „die Drei" als den
wahren Gottesbegrifs erfaßten; daß auch
sie eine Menschwerdung Gottes zum Zweck
der Erlösung des Menschen erwarteten;
daß sie die Bedeutung des Opfers, des
Opfermahles und der stellvertretenden Ge-
nugthuung kannten; in dem leidenden und

dann verherrlichten Dionysos vorbildlich
Christum verehrten u. s. w. u. s. w. (Nur
ist Christus deswegen nicht bloß Diony-
sos, so wenig er bloß der alte Chrischna
ist und so wenig unser Kirchenjahr des-
wegen, weil es sich an das natürliche Jahr
anlehnt, bloß'eine Erneuerung des Na-
turkults ist lind sonst nichts. Auch ist
Christus nicht ein Abklatsch von Dionysos,
sondern dieser ist in gewissem Sinne ein
Fingerzeig auf Christus hin.) Noch viel
weniger aber ist es bei solcher Gemeinsam-
keit des Bodens zu verwundern, wenn
manches im heidnischen und christlichen Kult,
manches an heidnischen und christlichen Kult-
stätten einander gleicht. Vielmehr verwun-
dern wir uns über die Verwunderung eines
Pfannenschmid, der in seinem Buch über
das Weihwasser Aehnlichkeiten, die in der
Natur der Sache liegen, ausfallend findet,
z. B. „daß man sich in den Vorhallen
christlicher Kirchen des Weihwassers aus
bestimmten heiligen Gefäßen bediente", was
auch die Heiden thaten — als ob das
Wasser nicht das natürliche Sinnbild inne-
rer Reinigung wäre für Christen, Heiden
und Juden! — oder daß sogar „die an-
tiken Wassergefäße und Bauformen ge-
weihter Brunnen in den Dienst der Kirche
übergiengen und Schalen aus Edelstein,
Marmor und Erz durch christliche Sym-
bole und Bibelsprüche geweiht wurden, um
als Weihwasser- und Taufbecken zu dienen."
Aber was ist denn daran ausfallend oder
gar auszusetzen?

Viel, erwidert hier ein gewisser Cam-
bridger Doktor, Mr. Blunt, in seiner sehr
seltsamen Schrift „Ursprung religiöser Cere-
monien und Gebräuche der römisch-katho-
lischen Kirche" — sehr viel ist auszusetzen!
Durch solch leidige Accommodatiou sind Cere-
monienwesen, Heiligenkram, überhaupt die
verschiedensten heidnischen Mißbräuche in
die Kirche eingeschmuggelt worden. — Aber
um Verlaub, mein Herr! die fragliche
Accommodation (wenn es je eine solche ist)
muß doch kein so übles Mittel zur Aus-
rottung des Heidenthnms gewesen sein.
Wenigstens bediente sich, wie auch Sie
zugeben, Gott selbst dieses Mittels. „So
geschah es vielleicht gerade darum, weil die
Schlange ein Gegenstand der Abgötterei
in Aegypten war, daß Gott für gut fand,
diesen Wurm zu einem Werkzeug seines
 
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