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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 2
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Keppler, Eugen: Ueber Ableitungen von Christlichem aus dem Heidenthum, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0022

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18

lichen Figuren durchwirkt" (!) ist. Seine
Verschrobenheit geht so weit, daß er sogar
da, wo jeder Vernünftige die Niederlage
des Heidenthums deutlich vor Augen sieht,
eine Fortsetzung desselben erblickt. So
wenn Schiffe, vor Zeiten den Göttern ge-
weiht , heute christliche Namen tragen;
wenn Häuser innen und außen statt der
Schutzgötter Heiligenbilder zeigen; wenn
an die Stelle der heidnischen Abscheulich-
keiten in Feldern und Weinbergen das
Zeichen des Kreuzes getreten; wenn Berge,
einst beliebte Stätten des Götzendienstes,
jetzt Heiligen-Sitze sind „und zwar so, daß
oft sogar der Name des Gottes in den
Namen eines christlichen Heiligen verketzert
worden ist"; wenn sogar an den Kreu-
zungspunkten der Straßen die Götzenbilder,
diese verkörperten Laster, den Heiligen, also
den Vorbildern reinster Tugend, haben wei-
chen müssen und die Darstellungen der letzte-
ren, wie einst jene, (o sancta simplicitas!)
„mit Blumengewinden und Sträuchern ge-
ziert sind" ! Einmal sieht er in Sicilien am
Weg eine Madonna „mit einigen dürren
Aehren in der Hand und um die Stirne".
Was sagt ihm das? „Daß solches die eigent-
liche Zierde jener Göttin gewesen, welche
einst hier eine unbestrittene Herrschaft
übte". Und sonst nichts? Hätte ihm dies
also bekränzte Bild nicht vor allem zu-
rufen sollen, daß die Herrschaft jener Göt-
tin und des ganzen Götzendienstes glücklich
zu Ende sei und daß diejenige diese Herr-
schaft gestürzt, welche der Schlange den
Kops zertreten? Aber solche Kunde will
er nicht hören. — „Gotteslästerlich" nennt
unser Engländer jene zarte Vorstellung
von Jesus, dem Bräutigam der Seelen,
welche jenem berühmten Bild „mystische
Verbindung der hl. Katharina von Siena
mit dein Jesuskinde" 51t Grunde liegt.
Und „gotteslästerlich" ist in der That, was
er dabei denkt. „Ich konnte mich nicht
enthalten, an jene Zusammenkünfte zwischen
Diana und Endymion, Bachns und Ariadne
zu denken!" So weit kommt man, wenn
man, anstatt den tiefen Sinn der christ-
lichen Darstellungen zu ergründen, viel-
mehr denselben heidnische Bedeutung unter-
schiebt. So weit kommt man, wenn man
christliche Formen, anstatt sie nach dem
Geist zu beurtheilen, der sie beseelt und
durch sie wirkt, vielmehr losgetrennt von

diesem Geiste betrachtet: als ob das Aeußere
nicht von dem Inneren all seinen Werth,
all seine Bedeutung empfienge! Letzteres
begreift Blunt so wenig, daß er das Aeußere
zum Inneren in feindlichen Gegensatz rückt
•— in dem Symbol nicht einen Ausdruck,
sondern ein Hemmniß des geistigen Sin-
nes erblickt. Wie weh thut es ihm, daß
die heidnischen Römer — und ihnen nach
natürlich die katholischen Christen — „so
wenig Sinn für das Geistige haben, daß
selbst die Eigenschaften ihrer Götter in
körperlichem Gewände dargestellt wurden".
Sie hätten (nach Blunt) nicht sollen die
himmlische Macht des Janus „dadurch
recht anschaulich machen, daß sie sein Bild
mit einem großen Schlüssel ausrüsteten";
sie hätten nicht sollen seinen Vergangenheit
und Zukunft umfassenden Blick durch ein
Doppelgesicht darstellen; „dem Gott der
Schlachten einen Speer in die Hand, einen
Schild an den Arm geben und einen Helm
aus das Haupt setzen"; sie hätten nicht
sollen, wie sie es wahrscheinlich wagten zu
thun, der Göttin Fortuna gar die verschie-
denen Marterwerkzeuge, welche Horaz ihr
andichtet und womit sie gelegentlich die Sterb-
lichen quälen soll, „aus sesten Stoffen in die
Hand geben". Um wie viel mehr haben
also die Katholiken Unrecht, die Schlüssel,
welche der Heiland bildlich dem Petrus
verliehen, das Schwert, welches Simon (sic!)
geistigerweise der Jungfrau in die Brust
gedrückt, ja sogar die Leidenswerkzeuge,
welche zum Tode des Erlösers mitgewirkt,
noch im 19. Jahrhundert „sinnenfällig
darzustellen". „In Italien und Sicilien
ist nichts gewöhnlicher als ein Bild oder
Gemälde der Madonna mit einem Schwert
in der Brust. Auch sind an der Land-
straße so häufig Kruzifixe mit Abbildungen
von einer Laterne, einem Hahn, einem
Schwamme, einem Rohr, einer Leiter, ja
selbst von Zange und Nägeln." Merk-
würdig in der That! Die Verfertiger die-
ser Schmerzensabzeichen hatten es doch
nur daraus abgesehen, gläubige Seelen zu
verwunden: und nun gelingt es ihnen, das
Herz unseres Cambridger Doktors mit
ganz eigener Pein zu treffen ! Zum Glück
geht das so tief nicht! Wer so wenig Ge-
fühl für Kunst und Kunstdarstellung hat
wie er, der hat überhaupt kein Herz! Un-
ter dem Vorwand, die geistige Auffassung
 
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