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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 4
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Kirchenbaufrage in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0036

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Doch da klingt mir schon ein Einwand
im Ohr, ans zartbesaiteten, ästhetisch sen-
siblen Gemüthern sich erhebend: Eine Kirche
aus Fachwerk! und das empfehlet ihr, die
Vertreter der kirchlichen Kunst?!

Gewiß, und zwar im Namen der
kirchlichen Kunst. Das wäre eine
gewissenlose und pflichtvergessene kirchliche
Kunst, welche erst auf Grund von ange-
sammelten Hunderttausenden ihre Thätig-
feit beginnen wollte und den armen unbe-
mittelten Gemeinden zurufen würde: packt
euch, euch kann nicht geholfen werden!
Ihre schönsten Triumphe feiert die kirchliche
Kunst nicht dann, wenn sie Millionen
zur Verfügung hat und all ihre Pracht
entfaltet, sondern wenn sie Würdiges schafft
mit wenig Mitteln und ohne aus dem Ge-
biet der größten Einfachheit herauszutreten.
Diese ihre Dienste für die Kirche sind ihre
herrlichsten Verdienste. Einfachheit ist noch
keineswegs Gemeinheit und Unwürdigkeit.
Edle Einfachheit ist gerade fo befähigt und
würdig, Gott zu dienen, ein Gotteshaus
zu bauen, dem Volk eine geistige Heimat
zu schaffen, wie herrliche Pracht, da wo
die Mittel zur Entfaltung der letzteren
fehlen. Die demüthige Einfachheit, welche
in diesem Jahr ans Balken und Backstein
ein großes Gotteshaus schafft für Tausende,
ist Gott zweifellos unendlich wohlgefälli-
ger, als eine stolze Kunst, welche vornehm
die schreienden Bedürfnisse verleugnen
würde, gefühllos Gottesdienst und Ge-
meinde Noth leiden ließe, um Tausende
anfzusammeln und etwa in 30 Jahren
eine Kathedrale zu bauen.

Es handelt sich ja allerdings um einen
Noth bau, um einen Nothbehelf; aber
wo der Noth nicht anders zu begegnen
ist, wo es außer Möglichkeit liegt, sie ganz
zu heben, kann es nicht Schande und
Schuld sein, sondern ist es Pflicht und
Klugheit, sich soweit aus der Noth zu
helfen, als man kann. Das Gute negirt
hier das Bessere nicht, der Nothbau prä-
judizirt einem würdigeren massiven Kirchen-
bau nicht. Vielmehr müßten am selben
Tag, an welchem die Nothkirche fertig
wird, die Sammlungen eines Fonds für
einen eigentlichen Kirchenbau beginnen, —
ganz wie das von viel Weisheit und Ver-
ständniß zeugende Vorgehen der Protestan-
ten in Stuttgart es uns lehrt.

Der richtige Standort dieser Noth-
kirche ist bereits von Herrn Kirchenrath
Zimmerte bezeichnet worden. Sie gehört
in die Gegend unfern des Neckarthores.
Dort läuft eine ganze Reihe bevölkerter
Straßen zusammen; das „Postdörfchen"
und die Prag find in unmittelbarer Nähe;
die Bauthätigkeit in Stuttgart wird von
jetzt an, wie uns glaubhaft versichert wurde,
hauptsächlich sich auf das noch freie Ter-
rain zwischen Stuttgart und Berg werfen.
Kein Zweifel, sobald man in dieser Gegend
eine Kirche eröffnet, werden Hunderte zu
ihr strömen und wird der Eberhardskirche
die nöthige Entvölkerung werden.

Die Lösung der Frage, aus welchen
Quellen d i e M it t e l für diese dritte
Kirche in Stuttgart herzuleiten feien,
können wir füglich den betheiligten Be-
hörden überlassen. Die Kosten für einen
solchen einfachsten Bau sollten in kurzer
Zeit durch Sammlungen in Stuttgart,
durch eine Landeskollekte, durch zu erhof-
fende Beiträge aus der Staatskasse und dem
Missionsfonds selbst ohne Lotterie aufge-
bracht werden können. Vor allem ist es natür-
lich auch Ehrenpflicht der Eberhardskirche
und Marienkirche, zur Mitgift dieser ihrer
Tochter beizusteuern, und unserer Ansicht
nach sollte in beiden Kirchen ein Sonntags-
opser in jedem Monat zu diesem Zweck
bestimmt werden, um so mehr, da beide
Kirchen von Sorgen für den eigenen Un-
terhalt nicht mehr stark belästigt werden.
Die Marienkirche ist mit allem Nothwen-
digen reichlich ausgestattet. Die Eberhards-
kirche hat allerdings noch Ein überaus
dringendes Bedürsniß, nämlich das einer-
neuen Tabernakelanlage auf dem Hochaltar;
der jetzige Tabernakel ist, wie alle, die ihn
gesehen, bezeugen werden, ein Skandalum
zu nennen, denn er ist 3. v. v. nichts
anderes als ein rundes Fäßchen, an wel-
chem der Expositionsthronus für die Mon-
stranz in Form eines Schubfaches ange-
bracht ist. Wir haben für einen Entwurf
zu einem würdigen und schönen Renais-
fancetabernakel Sorge getragen, der in den
jetzigen Altar mit geringen Aendernngen
sich einfügen ließe und zum Altarbild ins
rechte Verhältniß gesetzt würde; das bischöf-
liche Ordinariat hat den Entwurf geneh-
migt, der hoffentlich in Bälde zur Aus-
führung kommt; wir werden ihn seiner
 
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