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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 4
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Relpek, Eugen: Ein gothisches Ciborium
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0040
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Schöpfungen der Gothik? Jedenfalls unter-
scheidet es sich durch originellen Aufbau,
durch ebenso einfache als gefällige Verhält-
nisse, durch gewandte Treib- und Ciselir-
arbeit auf das Vortheilhasteste von den ab-
gedroschenen Formen, den harten Gußstücken,
überhaupt der ganzen fabrikmäßigen Mache,
wie sie z. B. in den viel gebrauchten Vor-
lagen für Anfertigung kirchlicher Gefäße von
Rentrop sich breit macht. Der Fuß zeigt
eine sehr geschmackvolle Kombination des
Sechspasses mit dem sechsspitzigen Stern,
so daß er in 12 Feldern (6 breitem und 6
schmäleren) sanft der Mitte zu austeigt, um
unmittelbar den sechseckigen Schaft aus sich
entspringen zu lassen. Dieser umgiebt sich
mit einem zierlichen Fuß- und Sockelgesims
und setzt dann in geringerer Dicke sich fort,
in der Mitte unterbrochen durch den in
Sechspaß geformten Knauf. Die Ueber-
leitung zu diesem geschieht oben und unten
durch je 2 Gesimsglieder. Ju einem stär-
keren Gesims endet der Schaft. Auf diesem
Schlußgesims setzt sich, achteckig sich nach
oben ausweitend, das Postament aus, welches
die (kreisrunde) Plattform des eigentlichen
Kelches bildet. Dieser ist ganz als Ruud-
thürmchen gestaltet. Das Dach (mit eiu-
gravirten Ziegeln) ist an seinem Rand so-
wie nahe der Spitze mit einem fein cise-
lirten, mit gewundenem Rundstäbchen gar-
nirten Blumenkranz umgeben. Das Schluß-
kreuz wächst zunächst rund aus der Thurin-
spitze hervor; die bis zu seiner Mitte reichende
Blumenverzierung ladet nach vier Seiten
aus; die Spitze sowie die Enden der Quer-
balken bestehen aus je 2 ciselirteu und gegen
einander gelötheten Blättchen. Ju die äußere
Wandung fiub einfache Ornamente und
Engelsbilder eiugravirt. (Diese können auch,
wo die Mittel vorhanden, erhaben oder in
Email ausgeführt werden.) Im Innern
befindet sich, von der Außenwand gesondert,
aber fest an dieselbe anschließend, die eigent-
liche Cuppa aus Silber. Ihr in der Mitte
gewölbter Boden ermöglicht die sichere Er-
fassung der hl. Hostie. Abgesehen von dieser
Euppa ist das Ganze aus Kupfer und kostet
400 Mk.

Ein anderes Ciborium fabrikmäßigen
Ursprungs, das ich gerade zun: Vergleich
bei der Hand habe, kostet dasselbe, verhält
sich aber zu ersterem wie die Nacht zum Tag.
Wohl ist es ans Silber; aber das edelste
Metall bleibt roh, wenn die Kunst es nicht
durchgeistet! Doch woher stammt denn dieser
preiswürdige Speisekelch? Aus der Werk-
stätte für kirchliche Geräthe und Gefäße von
Jos. Ballmann in Berg-Stuttgart.

Also eine neue Arbeit, keine alte? Ja,
aber genau nach altem Muster. Abgebildet
ist dieses in dem seltenen Werke: Ortevrerie

et ouvrages en metal d’apr&s les an-
ciens models; Auteur et proprietaire Th.
H. King. Bruges 1852.

Merke: Mittelalterliche Kunstwerke be-
kommst du, wenn bu sie nachahmst! Nur
durch geduldige und fürs erste noch peinlich
genaue Nachbildung alter Vorbilder kann mau
sich allmälig diejenige Vertrautheit mit dem
Geiste der Alten und mit den Grundsätzen
ihres künstlerischen Schaffens erwerben, welche
erst erworben sein muß, ehe man sich unter-
fängt, in einem der Vergangenheit augehö-
rigen Stil neu zu erfinden und selbständig
zu schaffen. RELPEK.

Literatur.

Der Dom zu Köln, geschichtlich und be-
schreibend dargestellt von Frz. Theod.
Helmken. Zweite umgearbeitete und
vermehrte Auflage. Ein Führer für die
Besucher. Mit Abbildungen. Köln, Bois-
seröe. 1887. 154 S. Preis 1,50 M.

Nun bat der schönste Dom der Welt einen
Führer, der seiner würdig ist, mit seiner Lebens-
und Leidensgeschichte wohl bekannt, eingelebt in
seine Eigenart, eiugeweiht in seine Geheimnisse,
und vertraut mit seinen immensen Schätzen. Da-
rüber darf mau von Herzen sich freuen. Denn
dieser Führer wird dem herrlichen Dom viele
neue Freunde gewinnen und er wird durch seinen
Anschauungsunterricht, zu welchem er das denk-
bar beste und reichste Material verwenden kann,
vielleicht mehr wirken für Ausbreitung richtiger
Kunstanschauungen, für Pflanzung wahren Kunst-
sinns und reiner Kunstliebe, als viele dicke theo-
retische Kuustbücher, trotzdem er seinen ganzen
Unterricht ans 150 Seiten crtheilt. Aber diese
Seiten sind wohl ausgcnützt und reich mit guten
Illustrationen durchzogen. Ju mustergiltiger Weise
ist die große Domliteratnr zu einem feinen historischen
und artistischen Bild verarbeitet. Die Geschichte des
Baues bildet den Ausgangs-, die Erzählung der
Domsagc den Schlußpunkt der Wanderung um
und durch den Ban. Der allgemeinen Beschrei-
bung nach Stil und Dimensionen folgt die Be-
sichtigung des Aeußeru, dann die des Innern,
dann eine Besteigung des Doms und der Thürme.
Kein Besucher Kölns möge fürderhin ohne die
Führung dieses Büchleins den Dom aufsuchen;
sie wird ihm die besten Dienste thnn, ihm den
doppelten Genus; und den dreifachen Nutzen ver-
schaffen. Und nach seiner Heimkehr wird der
Führer mit seinen etwa 50 Illustrationen ihm
noch oft das schöne Bild vor die Seele zaubern
und das Herz mit neuem süßem Heimweh füllen
nach der schönsten irdischen Gottesheimat, welche
unsere Religion, unser Glaube, unsere Kirche ge-
schaffen. _

Ulit einer artistischen Beilage.

Stuttgart, Buchdruckerci der Akt.-Gcs. „Deutsches Volksblatt".
 
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