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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 5
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Keppler, Eugen: Ueber Ableitungen von Christlichem aus dem Heidenthum, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0046

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Altars und zwar öfters in einem Anbau
(Exedra), der, wie man nachgewiesen,
auch eine kreisrunde absidale Ausladung
haben konnte? — und doch war damals
von einer Nachahmung der heidnischen
Tempel gewiß nicht die Rede. Den Kata-
kombenkirchen oder Krypten nachgebildet
waren die Cellae coemeteriales, die ersten
eigentlichen Kultstätten über der Erde.
Ans quadratischer oder kreisrunder Basis
erbaut, luden sie in eine, oft auch in drei
halbkreisförmige Absiden aus, welche ent-
weder flach gedeckt oder mit Kuppel-
gewölben überdacht waren. Damit war
das Hauptstück der christlichen Basilika,
der Chorraum, fertig. Mau war sich be-
wußt, daß es nur erst Stückwerk sei,
darum ließ man, wie jetzt unzweifelhaft
uachgewieseu, die vierte Seite meist ganz
offen und unvermanert. Während nun in
der bedeckten und nach der vierten Seite
hin offenen Cella die heiligen Geheimnisse
gefeiert wurden, stand das Volk im Freien,
nur durch provisorische Schranken eiuge-
theilt und zusammengehalten. Diese offene
Area nach Maßgabe der Bedürfnisse einzu-
bauen und mit dem Chorhaupt zu einem
Ganzeil zu verbinden: das war nun die
Aufgabe des christlichen Baumeisters. Zur
Lösung derselben benützte er selbstverständ-
lich die technischen Errungenschaften und
Hilfsmittel seiner Zeit lind die konstruk-
tiven Vorbilder, welche ihm religiöse und
profane Bauten namentlich für Herstellung
eines weiten ummauerten Raumes, für
Wölbung und Säuleustellung an die Hand
gaben. (Konnte er diese doch um so eher
benützen, als er vielleicht selbst kurz vor-
her heidnische Bauten hatte aufführen
helfen!) Es ist dieses aber kein Abhängig-
keitsverhältuiß (weil der christliche Bau,
wie gesagt, seine eigenen urwüchsigen
Wurzeln hat); es sind dies nur An-
knüpfungspunkte technischer und historischer
Art, so wie jede spätere Entwicklung sogar
ohne es zu wissen an Früheres anknüpft.
Man betone nur nicht b l o ß die Anknüpf-
ungspunkte zwischen heidnischer und christ-
licher Baukunst, sondern erforsche auch das,
was beide trennt, und man wird nach ge-
wissenhafter Abwägung zugestehen: was
sie trennt, ist innerlich und wesentlich, was
sie verknüpft, nur äußerlich und neben-
sächlich. „Aus seinem eigenen Geist er-

schuf das junge Christenthum noch keine
Kunst". Nein! Aber kaum hatte sich
dieser Geist den Fesseln einer dreihundert-
jährigen Verfolgung entrafft, unter bereit
Druck er erstarkt war, da erzeugte er aus
sich ein Banwerk so zielbewußt, so selbst-
ständig, so neu wie nur irgend ein grie-
chisch-römischer Bau: und dieses für alle
Zukunft bedeutungsvolle und fruchtbare
Bauwerk war die christliche Basilika. So
gilt auch hier: Ecce nova facio otunia!

Indessen fetzt unser Enfant terrible
seine Vergleichungsarbeit unentwegt fort.
Ueberall sieht er nur Aehnlichkeiten, die
Unterschiede verschluckt er. So wird er
sich doch die Gelegenheit nicht entgehen
lassen, Dione, die schwarze Göttin der
Unterwelt und andere Nachtgötter mit den
schwarzen Marienbildern zusammenzustellen,
dergleichen in zahlreichen Wallfahrtsorten,
wie zu Lorerto, Einsiedeln, Altötting, Ne-
apel und Puy verehrt werden? (Wenn
auch der Kerzenrauch viel erklärt; wenn
außerdem gewisse schwarze Bilder der
Stelle Cant. 1, 4: .Nigra sum sed for-
mosa ihr Dasein verdanken — verbindet
ja auch Konrad von Würzburg diese bei-
den Begriffe mit der Mutter Gottes:

daz du schwarz und schöne sist,

vil gut urkund du des gist! —

so ist doch möglich, daß ursprünglich hie
und da eine schwarze Statue der alten
Göttin von den ersten Heidenbekehrern als
Bild der Madonna substituiert wurde,
welche ja auch wie jene den Halbmond
unter den Füßen hat. Vgl. Sepp I, 425
und 433.) — Ferner wird er wohl die
an romanischen und gothischen Kirchen so
beliebten Darstellungen des Thierkreises
nicht übersehen und sie mit den uralten
kosmogonischen Vorstellungen verknüpfen,
die schon au den indischen Tempeln ihre
Eindrücke hinterlassen haben? Er wird
auf die Teufelsfratzeu, Riesen und Zwerge
alter Kapit-äle verweisen, in denen (wie in
ihren Vorgängern, den Titanen und Ka-
bireu des Alterthums) die einst wilden,
daun aber unterjochten und zum Halten
und Tragen des Welttempels gezwungenen
Urgewalten und Erdkräfte versinnbildet
sein sollen? In den Thiergestalten, welche
die Phantasie des Mittelalters an Kapi-
tälen, Giebeln, Gallerten anzubringen
pflegte, wird er sicherlich Anklänge an
 
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