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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 6
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Brinzinger, Adolf: Anton von Gegenbaur, [2]: und die Ausstellung seiner Werke zu Wangen im Allgäu. Die Gegenbauer-Austellung in Wangen
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Kirchliche Inventarstücke im frühgotischen Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0059

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55

Schleier fest. Das zweite von Hrn. Ka-
merer Platz in Börstingen ausgestellte Ge-
mälde zeigt die Madonna im Rosagewand
und blauen Mantel, und grünem Kopf-
tuch, das mit einem Schleier umhüllte un-
bekleidete Kind schmiegt sich an die Mut-
ter an. Beide Gemälde sind von graziö-
ser Holdseligkeit und zartem Schmelz der
Farben, aber keine Andachtsbilder, sondern
feine Salonbilder. Zwei hübsch zusammen-
passende, einander ähnlich komponirte Fah-
nenbilder sind die Nummern 16 und 48.
Die Madonna in blaßrothem Kleid und
blauem Mantel, über dem Haupte einen
Sternenkranz, schwebt mit ansgebreiteten
Händen, das Angesicht ascetisch verklärt
nach rechts gewendet, zum Himmel empor,
zu ihren Füßen sind zwei kleine Engel.
Diese Fahne (Nr. 16) ist Eigenthum des
Stuttgarter Jungsranenvereins. Im zwei-
ten 1854 für den Jungfranenverein zu
Wangen gemalten Fahnenbild ist das Ge-
wand der Madonna weiß, die Hände sind
gefaltet, unten gleichfalls zwei Engel. Ein
kleines Oelbild (51) zeigt die Himmelfahrt
Mariä, links und rechts je zwei Engel,
über ihrem Haupt den Sternenkranz und
singende Engel in den Wolken, es ist
Eigenthum des Herrn Pfarrers Jäggle in
Herlazhosen. 13 Oelskizzen (34—46) der
genialen Freskogemälde des Stuttgarter
Residenzschlosses, der kgl. Kunstschule zuge-
hörend, geben sodann ein Bild der reifsten
und herrlichen Schöpfungen Gegenbaurs.
Bon 16 Fresken fehlen nur 4, nämlich
die Gefangennahme der Schlegler, Belage-
rung Stuttgarts, Schlacht bei Eßlingen
und Döffingen; wie es scheint, existiren
von diesen letzteren keine Skizzen. Der
Ueberfall zu Mainz ist in zwei Skizzen
vorhanden. Die Ausführungen dieser herr-
lichen Fresken im Residenzschloß zu Stutt-
gart sind bekanntlich sehr leicht zugänglich
und wir möchten kunstsreundliche Besucher-
Stuttgarts darauf aufmerksam machen, bei
Gelegenheit deren Besichtigung nicht zu
versäumen, denn sie gehören zu den schön-
sten Fresken Deutschlands. Die histori-
schen, denselben zu Grunde liegenden That-
sachen als bekannt voraussetzend, beschrän-
ken wir uns nur daraus, sie kurz zu cha-
rakterisiren. Das größte dieser Bilder,
der Einzug Eberhards im Bart zu Tü-
bingen, ist 45 Fuß, alle andern 17 Fuß

breit, alle 13 Fuß hoch. An denselben
wird gerühmt „die lebendige, phantasievolle
und gemüthsreiche Auffassung, die durch-
weg edle und würdige Haltung, wohldnrch-
dachte Gruppirung, die selbst in den Mas-
sen und verworrensten Schlachtenscenen
herrschende wohlthuende Ruhe. Die Zeich-
nung ist korrekt, wo es nöthig ist kräftig,
kühn und graziös, der Ausdruck der Köpfe
charakteristisch, Kostüm und Nebenwerk
ebenso historisch richtig, wie mit feinem
Sinn gewählt. Bor allem aber ist die
Behandlung der Malerei bewunderungs-
würdig, nämlich die Kraft und Tiefe der
Farbe, glückliche Bertheilung von Licht,
Schatten und Helldunkel, überhaupt der
große malerische Effekt und die große Man-
nigfaltigkeit in der Beleuchtung, es sind
Farbendichtungen von einem Reiz der Poesie,
der das Auge fesselt und immer neuer
Beschauung auffordert" (vergl. Eggers,
„Deutsches Kunstblatt" 1854, 24). Die
Kartons dieser Fresken sind in der Staats-
galerie zu Stuttgart, welche außerdem ans
Gegenbaurs Nachlaß viele Skizzen besitzt.
Es war ein schöner Akt der Pietät, daß die
Stadt Wangen zu Ehren ihres berühmten
Sohnes diese interessante Ausstellung sei-
ner Werke veranstaltete und damit zum
Studium derselben solch kräftige An-
regung gab.

Am 1. Oktober 1882 besuchten wir in
Rom auf dem Kirchhof der Deutschen neben
St. Peter das Grab Gegenbaurs. Es ist
geschmückt mit seinem Bild, einem Relief
in Marmor, in vortrefflicher Weise aus-
gesührt von Bildhauer Rösch in Stuttgart,
einem Schüler Donndorfs. Damals faß-
ten wir den Entschluß, auch das geistige
Bild des Meisters näher kennen zu lernen.
In unserer Skizze haben wir dasselbe zu
zeichnen versucht. Vielleicht war es unfern
Lesern nicht unwillkommen, mit uns das-
selbe näher betrachtet zu haben. Denn
unserem Meister gebührt um seiner Schö-
pfungen willen nicht allein in der schwäbi-
schen, sondern auch in der deutschen Kunstge-
schichte ein ganz hervorragender Ehrenplatz!

Airchliche Inventarstücke im srüh-
gothischen Stil.

Selten wird uns, auch bei Neubauten, jenes
Schauspiel geboten, in welchem erst eigentlich die
 
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