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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 7
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Keppler, Paul Wilhelm von: Fra Giovanni da Fiesole, [2]: der Engel der kirchlichen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0065

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Gl

ler selbst, daß er die hl. ©eenen schildere,
so wie sie in der frommen Betrachtung sich
spiegeln, wie sie ihm sich vorstellten, da
er nach dem Vorbild und nach Anweisung
der Heiligen sich in sie vertiefte. Neben
diesen assistirenden Heiligen steht unsicht-
bar der Maler selbst, und so hat er das
Ereigniß nachgebildet, wie es die innere
Autopsie ihm zeigte. Neben den Heiligen
soll sich auch, das ist der Wille des Mei-
sters, der Beschauer des Bildes stellen und
mit gleichem Affekt ins hl. Geheimniß ein-
gehen. Daß natürlich ans der geistlichen
Lesung, ans dem Wort der Schrift und
der Väter vieles in die Vorstellnngswelt
des Malers einfloß, ist nicht ausgeschlos-
sen und an einem Beispiel klar zu er-
weisen: in manchen Schilderungen ans dem
Leben Jesu folgt Fiesole Wort für Wort
den Meditationen Bonaventurcüs, am aus-
fälligsten z. B. in der Darstellung der An-
nagelung Jesu ans Kreuz.

Kaum bei einem andern Meister der
Kunst kann man daher mit so viel Recht
sagen, daß seine Kunst er selbst, daß der
Stil der Mensch ist. Die Kunstübung
Fiesole's ruht beständig ans dem innersten
und tiefsten Wesensgrund feiner Persön-
lichkeit ; Zeichnen und Malen fällt mit sei-
nem Beten und Betrachten, die Ziele seiner
Kunst fallen mit den Zielen seines Lebens
zusammen. Darum ist es schwer, die Spu-
ren und Linien aufzuzeichnen, welche auch
bei ihm die menschliche Beschränktheit oder
Unvollkommenheit verrathen. Man hat ihn
schon einen Miniaturisten genannt; will
man damit eine gewisse Einseitigkeit ihm
zuschreiben oder eine technische Befangen-
heit, als ob er vor allem durch delikate
Eiuzelausführuug sich zu genügen oder
Eindruck zu machen gesucht hätte, so schließt
jener Name ein schweres Unrecht ein. Er
hat vom Miniaturisten nichts als die auf
seinen Tafelbildern zu bewundernde unge-
meine Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit in
der Behandlung des Details; aber daß er
darin Hauptziel seiner Kunst oder Haupt-
kraft und Hauptmittel künstlerischen Ein-
drucks suchen, daß er jemals sich ins
Aeußerliche und Kleinliche verlieren würde,
davon kann durchaus die Rede nicht sein;
schon die fast flüchtig mit einfachster Tech-
nik gemalten Zellenbilder beweisen zur Ge-
nüge, daß Wesen und Kraft seiner Kunst

nicht in der Detailmalerei anfgeht. Auch
das ist nicht richtig, daß seine Kunst nur
einem verhältuißmäßig kleinen Kreis von
Thematen gewachsen gewesen sei, daß ihr
nur der Ausdruck der Anmut und Lieb-
lichkeit, nur die Fähigkeit lyrischer Schil-
derung zu Gebot gestanden sei. Fiesole
ist Meister in Wiedergabe von Empfindun-
gen und Affekten jeder Art; er ist auch Dra-
matiker im Vollsiuu des Wortes. Wir wer-
den Bildern begegnen, in welchen die Tragik
in all ihrer furchtbaren Majestät, mit über-
wältigender Kraft anftritt. Seine Schil-
derung durchläuft die Skala des Schmer-
zes und der Freude von unten bis oben.
Richtig ist allein das, das er auf alle, auch
die erregtesten Wogen der Affekte das Oel
christlicher Maßhaltung und Selbstbeherr-
schung gießt und dadurch dem Schmerz
und der Freude das Uuerlöste, das Leiden-
schaftliche benimmt. Wo er diese Verklä-
rung nicht aubringeu darf, wo er wilde
Heukerswuth, dämonische Leidenschaft, Höl-
lenqualen und Höllengeister malen soll, da
kommt er allerdings in liebliche Verlegen-
heit, da sind Grenzen wahrzunehmen, welche
seiner Kunst gezogen sind. Daher kann
man sagen, daß er Einen Ruhm den Nach-
folgern übrig gelassen habe, nämlich das
Böse und ben Bösen besser zu malen als
er. Das könnte eine Unvollkommenheit
des Meisters genannt werden, wenn es
nicht Ausfluß seiner Vollkommenheit wäre.

Eine Grenze ist zweifellos seiner Kunst
gezogen: sie vermag nur auf re l i g i ö s e m
Gebiet zu leben und zu wirken; für das
Profane geht ihr Organ und Verständuiß
ab. Aus diesem Gebiet aber ist sie, von
einzelnen Unvollkommenheiten in Zeichnung
und Perspektive abgesehen, reinstes Vor-
bild und Muster, was Auffassung und
Formgebung anlangt; nie standen die reli-
giösen Ideale klarer und leuchtender vor
einer Künstlerseele und nie hat eine Künst-
lerhaud eine diesen Idealen adäquatere
Form gefunden.

Dies im Einzelnen darzuthnn, zum Ge-
nuß und zur Nachahmung der Schönheiten
jener herrlichsten Erzeugnisse kirchlicher
Kunst, welche den Namen Fiesole's tragen,
anznleiten, ist der Zweck der folgenden
Darstellung. Anstatt eine Ausstellung aller
feiner Werke zu versuchen, wollen wir lieber
zwei Cyklen von heiligen Thematen
 
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