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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 8
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Keppler, Paul Wilhelm von: Fra Giovanni da Fiesole, [3]: der Engel der kirchlichen Malerei
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Kirchengestühl, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0077

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73

angesichts des heiligen Dulders: die Pflicht,
anbetend zu verehren, und die Pflicht, nach-
zuahmeu und nachzufolgeu.

Die dem Gegenstände nach nächstfol-
gende Darstellung der A n n a g e l u n g a m
Kreuz (Zellenbild in San Marco) ist
höchst beachtenswertst und steht in ihrer
Art einzig da. An das aufgerichtete Kreuz
soll der Heiland angenagelt werden. Zu
dem Ende sind von der Rückseite zwei Lei-
tern an die Krenzesarme angelegt, auf
welchen Soldaten stehen; von vorne aber
ist eine kleine Leiter von vier Sprossen an
den Stamm gelehnt; der Heiland hat sie
bestiegen, er steht ans der obersten Sprosse,
breitet seine Arme ans und reicht die
Hände den beiden Schergen dar, das Wort
sprechend, welches oben angeschrieben steht:
Later, vergieb ihnen u. s. w. Die Freiwil-
ligkeit des Todes Jesu findet hier einen
herrlichen Ausdruck, wie er bei der An-
nagelung auf das am Boden liegende Kreuz
gar nicht zu erreichen ist. Zudem hat
diese Darstellung noch den Vorzug, daß
sie jedenfalls die historisch wahrscheinlichere
und richtigere ist. Denn nicht am Boden
fand die Annagelung statt, so daß das
Kreuz mit dem Körper ausgerichtet wor-
den wäre, sondern der Unglückliche wurde
auf den nicht allznhoch vom Boden in der
Mitte des schon befestigten Kreuzes an-
gebrachten Krenzespflock hinaufgehoben
und dann angenagelt. Daß der Maler
an Stelle des Pflockes eine Leiter wählte,
ist aus künstlerischen Rücksichten nothwen-
dig und berechtigt. Weiter unten steht
der Hauptmann mit zwei Zuschauern, links
Maria und Martha; Maria hat ihr Auge
von dem schrecklichen Schauspiel abwenden
müssen, Martha stützt sie, indem sie wei-
nend zum Herrn emporsieht. Da die An-
nagelung auch unter die Stationen aus-
genommen ist, so möchte ich den Künst-
lern diese Art der Darstellung warm em-
pfehlen , welche richtiger, würdiger und
eindrucksvoller ist, als die gewöhnliche, bei
welcher der Heiland am Boden liegt und
schon deßhalb in seine Gestalt nicht viel
gelegt werden kann, daher die hämmernden
Henker eigentlich die Hauptpersonen sind.

Die reichste und süßeste Quelle heiliger
Inspirationen fließt dem englischen Maler,
wenn er sich daran macht, den Heiland
am Kreuz darzustellen und das hoch-

heilige Opfer der Erlösung itnb Versöh-
nung der Seele vor Angen zu führen.
Kein Thema hat er so oft behandelt, wie
dieses.

(Fortsetzung folgt.)

Rirchengestühl.

Aber, ist das auch ein Gegenstand der
Besprechung, wichtig genug, um neben so
hohen und heiligen Dingen Platz zu fin-
den? Das Gestühl ist ja doch eine unter-
geordnete Nebensache, nur die man sich
keine Sorge macht, zumal es Leute genug
gibt, die es zu machen verstehen. Wozu
hat man die Möbelgeschäfte? Und wenn
diesen der Gegenstand zu gering ist, so
kann's jeder Tischler. Er hat ja in der
Fortbildungsschule den Zirkelanschlag ge-
lernt. Sollte sich ein Bauherr im Ernste
für künstlerische Herstellung des Gestühls
interessiren, so macht der Bauführer eine
Skizze im reinsten gothischen oder byzan-
tinischen Stil, oder auch auf Verlangen
im „jnnischen", oder noch lieber, weil das
die neueste Mode ist, in dentschnationaler
Renaissance, die so deutsch-national ist,
daß sie nicht einmal einen deutschen Na-
men hat. Uebrigenö ist ja das Gestühl
im Grunde etwas Unnöthiges, wie die
französischen Kirchen beweisen, oder wenn
man viel zngeben will, nur ein nothwen-
diges Uebel.

Soweit die Vorrede zu unserer Besprech-
ung , die ausnahmsweise nicht ans dem
Geist des Verfassers, sondern ans den
Anschauungen mancher Leser geschöpft ist.
In der That, wenn man gewöhnt ist, die
Kirchen auch auf ihr Inventar zweiteil
Ranges zu prüfen, und besonders, wenn
man die nengebauten Kirchen ansieht, muß
man sich überzeugen, wie vielfach derlei
Anschauungen noch vertreten sind.

Nun aber, um von der Vorrede, die
sich fast in eine üble Nachrede verwandelt
hätte, zur ernsten Erörterung zu kommen,
muß ich sagen, daß das Kirchengestühl kein
nothwendiges Uebel und überhaupt kein
Uebel ist, wofern es nur recht gemacht
wird. Die Kirche ist ja zunächst für die
andächtigen Besucher da, welche ihren An-
theil an beit gottesdienstlichen Handlungen
nehmen, und erst in allerletzter Linie für
die Touristen. Und wenn man meint, daß
 
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