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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 8
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Kirchengestühl, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0078

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74

ein festes Kirchengestühl die Kirche ent-
stelle, so sehe man sich nur die Wirthschaft
in den französischen Kirchen an, diese Ver-
miethung kleiner Sesselchen, dieses unauf-
hörliche Hin- und Herrutschen, vom Sitzen
zum Knieen u. dgl. Wer dies schön fin-
det, mit dem streite ich nicht. Ein festes
Gestühl kann einer Kirche nicht zur Un-
zier sein, man weiß ja, wofür es da ist.
Im Gegentheil, wie ein Chor ohne Chor-
gestühl nicht ganz ist, so fühlt man beim
Eintritt in eine Kirche ohne Gestühl, daß
etwas fehlt. Und dies gilt in der präch-
tigen Kathedrale so gut wie in der kleinen
Dorskirche, und gilt so lange als wir uns
nicht entschließen, beim Gottesdienst wie
die Orientalen auf dem Boden zu knieen
und zu sitzen. So lange dieses nicht ein-
geführt ist, wird man das Recht haben,
von dem Verfertiger oder Zeichner einer
Kirchenbank ein Geräth zu fordern, aus wel-
chem es sich bequem sitzt und kniet. Fügen
wir noch hinzu, daß man auch nicht gar
zu schwer in den Stuhl eintreten will und
daß in den meisten Kirchen kein überflüs-
flüssiger Raum ist, also das Geforderte
den kleinstmöglichen Flächenraum ein-
nehmen soll.

Dies wäre also die Aufgabe. Sie scheint
sehr leicht zu sein, ist es aber doch nicht.
Es ist gewiß leichter, unter Nachahmung
mittelalterlicher Muster ein prächtiges
gothisches Chorgestühl zu entwerfen, als
eine einfache Kirchenbank zu schaffen, die
bei möglichster Sparsamkeit an Arbeit,
Material und Volumen, allen praktischen
Anforderungen gerecht ist und dabei der
Kirche zum Schmuck, wenigstens nicht zur
Unzier gereicht.

Machen wir uns zuerst klar, an welche
Dimensionen wir uns zu halten haben, um
zu unserem Ziel, d. h. zu einer beque-
men Sitz- und Kniebank zu gelangen.
Wir nehmen zwei Fälle als möglich an;
einen, wo mit dem Platz gespart und doch
eine nicht unbequeme Bank hergestellt wer-
den soll, und einen, wo die Rücksicht auf
den Platz uns nicht hindern darf, der Be-
quemlichkeit jede Rechnung zu tragen. Die
Skizzen, auf welchen wir die zweckmäßigsten
Mensuren darstellen wollen, nennen wir
daher Maximum und Minimum. Zwischen
beiden bleibt noch Spielraum für andere
Kombinationen. An ein Maximum müssen

wir uns auch halten, weil in Höhe und
Weite auch das Zuviel vom Nebel ist.

Zu einer bequemen Sitz- und Kniebank
gehören drei Hauptelemente, welche wir
ans der beigegebenen Skizze mit lateini-
schen Buchstaben bezeichnen, nämlich A
Armbank, S Sitzbank, K Kniebank. Bei
jedem der drei Hanpttheile kommt in Be-
tracht die Höhe und die Tiefe, beim Maxi-
mum kann noch dazu kommen der Winket,
in welchem die Rücklehne sich neigt.

Von der Sitzbank nehmen wir au,
daß sie eben, d. h. horizontal gemacht wird.
Nur wo das Maximum der Tiefe erreicht
oder noch überschritten wird und vielleicht
noch eine geneigte Rücklehne dazu kommt,
dürfte sie nach hinten etwa um 14 Milli-
meter abfallen oder in der Mitte etwas
vertieft sein.

Auch für die Armbank und noch ent-
schiedener für die Kniebank müssen wir
horizontale Lage fordern. Bei großem
Chorgestühl, aus welchem große Kautarien,
Notenbücher u. dgl. gebraucht werden,
mögen die Armbänke bei größerer Tiefe
pultartig geneigt sein, aber bei gewöhn-
lichen Kirchenbänken ist die Abweichung
von der Horizontale unpraktisch. Wie
man aber ans den Gedanken gekommen ist,
die Kniebretter schief zu stellen, das mag
die Geschichte des menschlichen Aberwitzes
einstmals ans Licht ziehen. Jedenfalls
hat der, welcher zuerst eine schiefe Knie-
bank konstrnirt hat, das Knieen nicht vor-
her probirt, und nachher — es erst recht
bleiben lassen. Und, muß man hinzu-
fügen, er hat es auch andern zu entleiben
verstanden. Wer sich die kleine Mühe
nehmen will, versuche es, ans in verschie-
denen Winkeln geneigten Flächen zu knieen,
und dann auf ebener Fläche, und seine
Beine werden es ihm bezeugen: je schiefer,
desto schlimmer und peinlicher. Hat man
auf einer solchen Fläche sich niedergelassen,
so ist man genöthigt, sich vorne mit den
Händen festzukrallen, um nicht hinten herab-
zurntschen, und bei diesem jämmerlichen
Kamps um seine Stellung vergeht Einem
das Hören und Sehen, endlich auch die
Kraft und noch manches, zuerst aber das
Beten. Um andächtig und gesammelt zu
sein, muß man auch eine bequeme Lage
haben, zur freiwilligen Abtödtung gibt es
andere Mittel. Also, keine Folterbank,
 
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