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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 9
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Keppler, Paul Wilhelm von: Fra Giovanni da Fiesole, [4]: der Engel der kirchlichen Malerei
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Kirchengestühl, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0084

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80

und in die Wunden des Sohnes versenkt,
und Johannes das Antlitz mit beiden Hän-
den verhüllt vor übergroßem Schmerz.
Oder es ist der Moment des Lanzenstichs
und der Durchbohrung des Herzens ge-
wählt; der hl. Dominikus sieht in Rüh-
rung itub Schmerz zu, aber Maria und
Martha haben sich wegwenden müssen und
verhüllen ihr Antlitz.

Ein Wunder der religiösen Malerei
kann aus all diesen Bildern die Darstel-
lung des Gekreuzigten selbst genannt wer-
den; sie sollte ein- für allemal als der
vollendete Typus des Heilandes am Kreuz
anerkannt und adoptirt werden. Möchten
doch unsere Künstler für diese wichtigste
und häufigste aller religiösen Darstellun-
gen von Fiesole sich inspiriren und in-
struiren lassen. Hatte die älteste christliche
Kunst dem Gekreuzigten eine schmerzlos
königliche Haltung verliehen und das Wort
illustrirt: regnavit a ligno deus, so er-
hob die byzantinische Malerei den Schmerz
zum Hauptgedanken, und sie schrieb dem
Körper und Antlitz des Heilands die tiefen
Furchen und die schauerlichen Eindrücke
von Schmerz und Qual oft mit entsetz-
licher Deutlichkeit ein. Giotto gab dem
Kreuzbild mehr geistige Bedeutung; er
dämpfte den Ausdruck des Schmerzes so-
weit, daß neben ihn: Raum blieb für Be-
tonung der über Schmerz und Qual er-
habenen geistigen Größe dessen, der am
Kreuze hängt. Fiesole's Gekreuzigter ist
die Liebe. Der Tod am Kreuz wird hier
in seiner tiefsten und rührendsten Bedeu-
tung erfaßt: er ist das Opfer der
Liebe. Das war für Fiesole nicht eine
theoretische Wahrheit, das war ihm innerste
Erfahrung. An diesem Anblick hatte er
die Liebe seines Herzens entzündet und
brennend erhalten und immer wieder ent-
flammt. Darum weiß er mit seinem Pin-
sel so bewegt es zu predigen: er ist die
Liebe, ans Liebe leidet und stirbt er, er
will nichts als Liebe.

Unzweifelhaft von diesem Gesichtspunkte
ans ist das ganze Bild seines Kruzifixus
entworfen, und jede Linie steht unter der
Herrschaft dieses Liebesgedankens. Vor
allem das Antlitz — wer kann es beschrei-
ben — ist ein vollendeter Abdruck der
Liebe. Meist blickt es von Schmerz müde
und etwas zur Seite geneigt mit unend-

lichem Erbarmen und Mitleid nieder ans
die in Liebe Emporschauenden, oder es ist
eben im Tod erbleicht, aber ohne daß der
Tod den milden Glanz der Liebe auf ihm
hätte tilgen können, oder es schaut für-
bittend empor zum Himmel. Dazu stimmt
dann die ganze Bildung des Körpers. Er
ist mit herrlicher Natnrwahrheit gezeichnet
und doch so ganz ohne Naturalismus;
seine ganze Haltung ist ruhig, mild und
weich; die Formen überaus adelig, keusch
und rein, so recht der Leib des Paradie-
ses, welcher mit der Sünde nichts gemein
hat; ein Friede ist über ihn ausgegossen,
welcher den Schmerz nicht ausschließt und
verneint, aber in stillem Dulden durch die
Kraft der Opferliebe ihn überwunden und
zur Ruhe gebracht hat. Aehnliche friede-
volle Bildung zeigt auch der Körper des
guten Schächers; beim bösen hat Fiesole
sich sichtlich angestrengt, die völlige Ver-
schiedenheit seines Leidens und Sterbens
zur Anschauung zu bringen; sein Schmerz
ist ein unerlöster, in seinem Leiden liegt
das Gift der Sünde, sein Sterben ist
ewiges Sterben; das zeigt sich auch an
seinem Leib: Krampf und Verzerrung

durchwühlt und verrenkt ihn. Das wollte
offenbar der Maler aussprechen; gelungen
ist es ihm nicht ganz; sein Streben führt
mehr nur zu einer harten, steifen, wie ver-
steinerten Körperform. (Fortsetzung folgt.)

Airchengestühl.

(Schluß.)

Ehe wir nach den angeführten Normen
einen Entwurf vorlegen, wollen wir einige
Beispiele mittheilen, welche zeigen, wie man
die Bänke nicht machen soll, und wie dringend
nothwendig es ist, solche Normen anfzu-
stellen. Die drei Skizzen, Fig. 2—4, sind
von Bautechnikern erfunden, eine davon
ist von einer höchsten Stelle gutgeheißen,
zwei sind wirklich ansgeführt worden für
zwei katholische Kirchen, die dritte sollte
auch ausgeführt werden, was aber zun:
Glück für die Gemeinde noch verhindert
wurde.

Fig. 2 zeigt, wie auch die zwei andern,
daß die Zeichner sich auf's Sitzen ver-
stehen. Die Höhe der Sitzbänke stimmt
genau mit unserem Maß überein, in der
Tiefe halten sie sich näher an unser Mini-
 
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