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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 9
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Kirchengestühl, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0085

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81

malmaß, bei Fig. 4 ist das Sitzen noch
etwas mehr erleichtert durch die schräge
Rückwand, die für das Sitzen wohl Be-
quemlichkeit bietet, aber auch mehr Raum
für die ganze Bank wegnimmt. Dagegen
überschreitet die Höhe der Armbank um
vieles das Maximalmaß, dadurch wird sie
für das Knieen sehr unbequem. Noch
schlimmer sieht es mit der Kniebank aus.
Die Bank Fig. 2 ist so hoch, daß man
ohne Qnal nicht darauf knieeu kann, fast
10 cm zu hoch, und ebensoviel zu wenig
vom Loth der Armbank vorstehend. So
haben wir hier drei Mißgriffe, die diese
Bank zum Knieen unbrauchbar machen, die
Armbank zu hoch, die Kniebank zu hoch
und zu wenig hervortretend. Der Schwer-
punkt des Knieenden fällt weit außerhalb
des Stützpunktes am Knie, und dazu macht
es die Höhe der Kniebank unmöglich, durch
Aufstemmen der Zehen eine Stütze zu
suchen. Will der Knieende seine Zehen
auf den Boden stellen, so verwundet er
sein Schienbein an der Kante der Knie-
bank.

Noch sinnreicher hat Nr. 3 seine Bank
konstrnirt, um die Menscheuquälerei aufs
Höchste zu treiben. Hier ist die Kniebank
noch höher, ist dabei auch noch schräg,
damit der Knieende ja keinen Halt mehr
habe, und um das Maß voll zu machen,
ist die Kniebank so unter die Armbank
hinuntergeschoben, daß sie nicht einmal
mehr um 10 cm übersteht. Der Mensch,
der auf dieser Bank knieen soll, muß
erst erschaffen werden. Einen Normal-
menschen, wenn er die Probe wagen
sollte, müßte man mit zwei Klammhaken
oben an der Armbank befestigen, wie der
Zimmermann seine Balken festmacht. Kö-

nig Friedrich II. von Preußen strafte einen
Kaffeeverfälscher damit, daß er jeden Mor-
gen und Abend große Portionen von sei-
nein Gebräu zu sich nehmen mußte, bis
das ganze Quantum ausgesosfen war.
Grausam, aber nicht unverdient. In ähn-
licher Weise sollte man diese menschen-
quälenden Zeichner so lange auf ihren
Bänken knieen lassen, bis dieselben abge-
rutscht wären.

Ehe wir nun die Fig. 4 produzireu,
warnen wir den Leser, wenn er nicht ganz
schwindelfrei ist, dieselbe lieber nicht anzu-
sehen. Der Mann, der sie gezeichnet, hat
wahrscheinlich den schiefen Thurm Asinelli
in Bologna gesehen und der ließ ihm keinen
ruhigen Schlaf mehr, bis er das Nachbild
desselben in diesem Gestühl geliefert. Doch
im Ernst geredet, dieser Stuhl bezeichnet
einen Schritt zu humanerer Praxis, er ist
seine eigene Warnungstafel. Da wird es
keinem Menschen, der nicht zum Selbst-
mord entschlossen ist, einfallen zu kuieeu.

Eine einfache Zeichnung

zu einer Kirchenbank gibt Fig. 5 a und b,
in welcher allen Rücksichten auf Brauch-
barkeit, besonders aber auf Sparsamkeit,
ihre Stelle angewiesen worden ist. Ein-
facher, sparsamer an Raum, Holz und
Arbeit kann man schwerlich ein Gestühl
machen, als dieses ist, und doch bleibt es
an Festigkeit nichts schuldig und gereicht
auch der Kirche, in welcher es schon seit
zehn Jahren steht, nicht zur Unzier. Be-
treffs der Dimensionen machen wir darauf
aufmerksam, daß die Zeichnung, wie die
vorhergehenden im Bo Maßstabe ausge-
führt ist und sich innerhalb der oben ans-
gestellten Normalmaße hält.
 
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