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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 10
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Keppler, Paul Wilhelm von: Fra Giovanni da Fiesole, [5]: der Engel der kirchlichen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0090

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86

neu Wunden des Herrn die Ideen ihrer
Ordensstiftungen geschöpft, das Blut ihres
Lebens der Vollkommenheit getrunken, daß
hier die Lebensquellen fließen, welche ihre
Stiftungen so segensreich und fruchtreich
werden ließen, — das wollte der Maler
an diese Wand anschreiben, und er wollte
jeden Ordensbruder durch den Anblick sei-
ner mit dem Gekreuzigten geeinigten Pa-
trone, seiner geistigen Väter, mit süßer Ge-
walt hineinziehen in die Schmerzen des
Heilandes. Das vollkommenste Vorbild
geistigen Eingehens ins Leiden und Ster-
ben Jesu, die geistige Mutter jeder Or-
denskongregation durfte somit hier nicht
fehlen, aber auch uicht die Schutzheiligen
des Klosters. Der Unterschied in der gei-
stigen Antheilnahme seitens der Einzelnen
ist wohl ;u erkennen. Der Täufer und
Markus repräsentiren den gläubigen An-
schluß an Jesus, und zwar jeneu, der be-
strebt und bemüht ist, auch andern den
Glauben ans Kreuz mitzutheilen und ein-
zuprägen. Ihnen entsprechen auf der an-
dern Bildseite die hl. Kirchenlehrer Am-
brosius und Augustinus, deren ersterer
predigend auf das Kreuz weist, letzterer
durch seine Feder es verherrlicht, und St.
Thomas von Aquiu, welcher sichtlich dem
Studium des Kreuzes obliegt. Die durch
den großen Wohlthäter des Klosters in
die Klosterfamilie gekommenen Heiligen
Laurentius, Kosmas und Damian reprä-
sentiren hier die Hauptäußerungen der
Liebe zum Gekreuzigten. Gebet (Lauren-
tius), Betrachtung (Kosmas) und eigent-
liches Mitleiden, die Herübernahme Seines
Schmerzes ins eigene Herz (der weinende
Damian). Ihnen entsprechen auf der an-
dern Seite die hl. Ordensstifter, welche
sich ebenfalls in Gebet, in Meditationen
und in das Mitfühlen der Schmerzen Jesu
theilen.

An Größe der Konzeption kann man
das Bild in Vergleichung stellen mit der
D i s p u t a Raphael s. Wie hier das
heiligste Sakrament, so wird auf Fiesolcks
Gemälde das Kreuz iu den Mittelpunkt
der Jahrhunderte gerückt und als der herr-
liche Lebensbaum verherrlicht, zu dessen
Füßen die Vertreter des Gebets, der Be-
trachtung, des heiligen Studiums aus allen
Zeiten und Ländern sich versammeln, um
sich selbst von den Kreuzeöfrüchten zu

nähren und dieselben ihrer Zeit zu reichen.
Die Universalität des Gedankens ist aber
damit noch nicht erschöpft. Der Rahmen
des Bildes wird dazu benützt, um noch
weitere Jahrhunderte in die Schule des
Kreuzes hereinzurufeu. Ein breites Orna-
ment überwölbt im Halbkreis das Haupt-
bild; zwischen dessen Guirlandeu sind Sechs-
ecke eingeschoben, durch welche wie durch
Fensteröffnungen Propheten mit Spruch-
bändern, dann die Erythräische Sibylle (mit
dem Spruch: morte morietur; tribus
diebus sonno subscepto et tune ab in-
feris regressus ad lucem veniet pri-
mus) und Dionysius der Areopagite (deus
naturae patitur) in die Scene hereinsehen.
So neigen gleichsam über die Schranken
der Vergangenheit die Repräsentanten der
vorchristlichen Jahrhunderte sich herüber
und nehmen Antheil an dem Tode von
Golgatha. 'Zu Füßen des Kreuzes aber
zieht sich in Medaillons, welche durch die
Verästung eines Baumes gebildet sind, die
Reihe der Heiligen und Seligen des Or-
dens in Brustbildern hin; das sind Kreu-
ze s f r ü ch t e.

Und doch steht noch höher als dieses
Riesenbild der Komposition und künstleri-
schen Vollendung nach das Bild der Kreuz-
a b n a h m e, ein für die Kirche S. Trinita
in Florenz gemaltes, jetzt in den Uffizien
befindliches Altarbild. Das dramatische
Gemälde wird von drei Bögen gekrönt;
im mittleren ragt das Kreuz empor; eben
wird der hl. Leichnam herabgelassen von
zwei auf Leitern stehenden Männern; zwei
untenstehende nehmen ihn in Empfang mit
Johannes, der wie ein Priester in weißem
Gewand mit größter Ehrfurcht ihn anfaßt,
während Maria Magdalena seine Füße
küßt. Links ist eine Schaar von Frauen
beschäftigt, dem hl. Leib einen Altar zu
bereiten auf dem Schooß der in die Knie
gesunkenen Mutter, welche ihn bebend und
sehnend erwartet. Diese Gruppe ist mit
der mittleren aufs Schönste verbunden und
gleichsam verschmolzen durch Eine Glut des
Affekts, — Andacht, Anbetung, Wehmut,
Mitleid, innigste Rührung bildeten gleichsam
Spalier für den hl. Leichnam aus dem Weg
zum Paradebett hin, welches im Schooß
der jungfräulichen Mutter ihm bereitet ist.
Die Gruppe rechts eröffnet ein am Boden
knieeuder jugendlicher Heiliger, welcher den
 
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