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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

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Nr. 11
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Keppler, Paul Wilhelm von: Fra Giovanni da Fiesole, [6]: der Engel der kirchlichen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0098
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94

Unterredung angeleitet wird. In ähnlicher
Weise ist auf einem Predellabild des Al-
tares von Cortona die Heimsuchung
aus dem Kreis des profanen Lebens heraus-
gelöst; die heiligen Frauen begrüßen sich
bei aller Herzlichkeit mit jener fast scheuen
Ehrfurcht, welche auf ihre beiderseitigen
Geheimnisse hinweist.

Nur zweimal hat Fiesole das Thema
der Geburt des Herrn behandelt, auf
einem Bild von den Silberschränken und
auf einem Zellenbild von San Marco.
Bei beiden kann auffallen, daß das heilige
Kind ganz bloß, nicht in die Krippe ge-
legt, sondern ans einem dünnen Lager von
wenigen Strohhalmen am Boden liegend
erscheint, das einemal angebetet von Maria
und Joseph, das andremal von diesen nebst
Petrus Martyr und Katharina von Alexan-
drien. Der Maler wollte offenbar die
vollständige Entäußerung deö Gottessohnes
mit aller Deutlichkeit zur Anschauung brin-
gen; auch die Engel sind aus der Nähe
des hl. Kindes gerückt und preisen nur
oben über dem armseligen Strohdach das
Geheimniß des Himmels.

Auch die Darstellung im Tempel
ist unter die Zellenbilder und die Predel-
lenbilder in Cortona (jetzt in al Gesü neben
dem Dom) ausgenommen, lieber das letz-
tere Bild vergleiche „Archiv" 1883, wo
es aber fälschlich in die Uffizien verlegt
ist. In dreischiffiger Kirchenhalle steht
Simeon, der eben von der Mutter das
hl. Kind empfangen hat und es an sich
drückt; die Mutter steht neben ihm, und
ihre Hände und Arme sind in der Aktion
des Hinweisens verblieben, zum Zeichen,
daß sie es nicht lange entbehren will; aus
dem einen Seitenschiff tritt Joseph, aus
dem andern Anna in die Scene herein,
letztere in eilendem, durch die Sehnsucht
beflügeltem Gang. Dem geistigen Gehalt
nach noch tiefer angelegt ist das einfachere
Zellenbild mit St. Petrus Martyr als
Zeugen. Während auf dein eben bespro-
chenen Bild Simeon still in Freuden ver-
sunken erscheint und auch Maria nur mit
dem Ausdruck mütterlichen Wohlgefallens,
in welches ein stiller Hauch von Wehmut
sich mischt, zum Kinde gewendet ist, hat
das Zellenbild weit ernstere Haltung. Si-
meon, ein herrlicher Greis, senkt tief sei-
nen Blick in die Mysterien des Kindes,

das er aus dem Arm hält; er erkennt,
das liest man in seinem Antlitz, in dem
Kinde das Zeichen, dem man widersprechen
wird, und in seine Freude mischt sich der
schmerzliche Gedanke, daß es nicht bloß
zur Auferstehung, sondern auch zum Falle
vieler gesetzt sei. Das hl. Kind aber,
welches, wie auf der vorigen Darstellung,
ganz eingewickelt und enggeschnürt ist, hat
Gesichtszüge, welche vom Licht vollen Be-
wußtseins verklärt sind; es hat alles ver-
standen, was Simeon eben der Mutter
gesagt, und auf diese richtet es den eigen-
thümlich festen und bestimmten Blick, wel-
cher mit dem der Mutter sich kreuzt. Maria
steht da wie eine Opfernde, beide Hände nach
dem Kinde ausgebreitet, voll tiefen Ernstes
im Antlitz. Sie erfaßt die ganze Opfer-
bedeutung des Momentes, und ihr Blick auf
das hl. Kind verbindet sie mit ihm in der-
selben Opfergesinnung.

In der Anbetung der drei Könige,
welche Fiesole des öfteren dargestellt hat,
finden sich einige beachtenswerte gemeinsame
Züge. Was die Gefolgschaft anlangt, so zeigt
der Meister überall das Bestreben, sie in
den Vorgang hereinzuziehen, auch wo wegen
der Größe des Raumes die Zahl der
Nebenfiguren vermehrt werden muß, wie
auf dem großen Bild in San Marco, wel-
ches das Ehrengastgemach, das Cosmo de
Medici für sich bestimmt hatte, schmücken
sollte. Die Leute, welche den Hofstaat
bilden, sehen theils ehrfürchtig der Hul-
digung ihrer Herren zu, theils beten sie
knieend an, theils besprechen sie voll Rüh-
rung den Vorgang, theils rühmen sie laut
die Herrlichkeit des Königskindes; ans dem
großen Zellenbild hält ein Diener den
Himmelsglobus in der Hand zum Zeichen,
daß die Sternkunde seinem Herrn die himm-
lische Offenbarung vermittelt habe. Ferner
vertheilt Fiesole immer die drei Könige
auf die drei Lebensalter; der eine ist eine
ehrwürdige Greisengestalt, der andere ein
kräftiger Mann, der dritte ein blühender
Jüngling von außerordentlicher Schönheit.
In die Erscheinung der hl. Jungfrau ßt
der Ausdruck der vollendeten Demut gelegt;
sie bezieht nichts auf sich von all diesen
Ehren; sie ist nur die, welche das hl. Kind
zu seinem Thron zu nehmen sich würdigte,
und in dem Augenblick, wo diesem ihrem
Kind göttliche Ehre entgegengebracht wird,
 
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