Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Your session has expired. A new one has started.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 5.1887

DOI issue:
Nr. 12
DOI article:
Prill, Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [22]: Strebepfeiler
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15863#0107

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
103

scheinen sich dadurch gegen die Mauer anzu-
st e m m e n (s. Fig. 151). Die einzelnen Ab-
sätze sind dann mit einer schräg abfallenden
Fläche (Wasserschlag) bedeckst deren unteres
Ende etwas überhängt (Wassernase), da-
mit das abträufelnde Wasser nicht wieder
an den Pfeiler zurücklaufen kann. Das
Zurückweichen der Pfeiler nach oben ist
aber nicht nur ästhetisch begründest sondern
auch technisch. Die Linie nämlich, in
welcher sich die Druck- und Schubkräfte
sammeln, ist eine sich immer weiter nach
außen entfernende gekrümmte Linie (Druck-
linie) a b (in Fig. 153 der Einfachheit
wegen gerade gezeichnet), und die Kraft
des Strebepfeilers muß daher genau im
entgegengesetzten Sinne wirken (Stützlinie);
nach oben ist also viel weniger Stärke
nöthig als unten.

Wenn nun der Strebepfeiler oben be-
lastet wird, so wird der senkrechte Druck
gegenüber dem seitlichen wachsen, und da-
her die Druck- und Stützlinie eine mehr-
senkrechte Richtung annehmen d. h. weiter
vom äußern Fußpunkt des Pfeilers ent-
fernt bleiben. Hierin ist die Möglichkeit
begründet, den Pfeiler unten etwas schmäler
zu machen und ihn also schlank und fast
senkrecht mit unbedeutenden Absätzen von
unten bis oben ansteigen zu lassen. So
entsteht eine zweite Hauptform für die
Strebepfeiler (Fig. 152 und der punktirte
in Fig. 153), welche an den meisten reicheren
Werken angewandt erscheint.

Besonders kräftig wird der hier zu
Grunde liegende Gedanke zum Ausdruck
gebracht, wenn sich über dem Pfeiler eine
Fiale erhebt (in Fig. 153 und 152), welche
einerseits den Pfeiler belastet, anderseits
ans demselben gewissermaßen als ein Be-
weis übersprudelnder Kraft emporschießt.

Was die Höhe der Strebepfeiler angeht,
so reichen sie meist bis an das Dachge-
simse wie in Fig. 151, wenn sie Fialen
tragen, so streben diese gewöhnlich noch
über das Gesims empor, jedoch sind auch
geringere Höhen, namentlich in einfachen
spätern Werken, nicht selten.

Der obere Abschluß der Strebepfeiler
wird bewirkt durch eine schräge, pultartige
Abdeckung (Fig. 151), oft auch durch ein
queraufgesetztes Satteldach, das wohl mit
einer Kreuzblume gekrönt ist (Fig. 152),
oder eine Verbindung beider Formen u.

a. ähnl. oder es zieht sich der Dachsims
als Abschluß um den Pfeiler herum wie
in Fig. 153.

Fig. 153.

Im klebrigen ist die Masse der Strebe-
pfeiler in der Frühgothik in der Regel
durchaus einfach gehalten und bildet da-
durch einen sehr wirksamen Gegensatz zu
den reichen Fenstermaßwerken und -Gewän-
 
Annotationen