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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 2
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Prill, Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [23]: senkrechte Theilung und Gliederung des Kircheninneren. Säulen. Pfeiler
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0014
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10 —

sich auch zum vorliegenden Zwecke geradezu
aufdraugeu. Dem massigen römischen
Mauerpfeiler gegenüber batte die Säule
den Vorzug, daß sie freiere Durchblicke
zwischen den Schiffen ließ und zudem durch
Kostbarkeit des Stoffes wie durch gefäl-
lige Schönheit der Form dem Baue zu
hohem Schmucke diente. Und Kostbarkeit
scheute man im Hause Gottes nicht.

Die Säule ist ein rnnder Schaft,
welcher auf einem etwas Brettern Fuß-
stücke (Basis) siebt und mit einem nach

oben zu breiter werdenden Kopfstück (Ka-
pitäl) versehen ist, um die zu stützende
Last zu tragen. Diese besteht zunächst in
wagrechten Steinbalken (Architrav), welche
von Säule zu Säule gelegt werden, darüber
schließt sich ein flaches Band (Fries),
darüber ein überhängendes Glied (Sims)
an, worauf sich dann das Dach oder die
noch weiter zu tragende Mauer auflegt.
In der alten griechisch-römischen Kunst
zählt man fünf Säulenordnungen, welche
sich durch ihre Maßverhältnisse wie ihre
Verzierungen (besonders des Kapitals) von
einander unterscheiden. In den christlichen
Kirchen finden wir mit Vorliebe diejenigen
aus ihnen angewandt, welche sich durch
die schlanken Verhältnisse (Höhe zum
Durchmesser wie 9:1 und 10:1) nnd die
reichere Verzierung aus,zeichneten, nämlich
die sog. jonische und korinthische (bezw.
römisch - korinthische) Ordnung. Lange
Reihen solcher Säulen gewähren in der

That einen prächtigen Anblick, und die äl-
testen großen Basiliken (d. h. Prachtkirchen)
trugen nicht mit Unrecht diesen Namen.
Eine Abilduug der (römisch-)korinthischen
Sänke gibt Fig. 155. a ist die Basis,
welche aus einer viereckigen Platte (Plinthe)
und mehreren Wülsten und Hohlkehlen
besteht; b ist der Säulenschast, der sich
nach oben etwas verjüngt, d. h. dünner
wird, und zuweilen durch von oben nach
unten laufende Rinnen (Cauneluren) ein
sehr reiches Ansehen bekommt (vgl. Fig.
157). Das Kapitäl c gürtet sich
mit prächtigem Kleid von Akan-
thusblättern, aus denen sich kraft-
voll die schneckenförmigen Stäbe
herausschwiugeu, welche die Kopf-
platte (Abakus) schwebend zu hal-
ten scheinen. Groß ist der Ab-
stand zwischen diesem schmucken
Säulenkopf und dem sehr einfachen
und nüchternen dabei aber doch
edlen dorischen Kapitäl (Fig. 156).
Uebrigens ist die rein korinthische
Kapitälform in ihren Gesamtver-
hältnissen schlanker und oben mehr
nach außen geschwungen, ähnlich
der Figur 157 (Renaissance).

In den antiken Säulenreihen,
wie sie Anfangs unverändert auch
in den christlichen Kirchen ver-
wandt wurden, sind die offenen
Zwischenräume zwischen den einzelnen
Säulen ziemlich schmal (etwas mehr als
das Doppelte der Säulendicke). Darum
verließ man diese Ordnung bald und
gab den Säulen größere Abstände von
einander. Und nun wird ein neues frucht-
bares Motiv in die Kirchenbaukunst ein-
geführt. Man legte in den meisten Fällen
keine Steinbalken mehr auf die Säulen,
sondern verband diese durch Bögen mit-
einander, welche gestatteten, die Abstände
beliebig weit zu nehmen, wie aus Fig. 158
ersichtlich ist.

Eine andere Eigenthümlichkeit bemerken
wir an diesem Baue, nämlich doppelte
Kapitäle ans den Säulen. Nachdem ein-
mal die alte Säulenord nun g durch-
brochen war, begann auch eine Veränderung
der Säulen selbst und die byzantinische
Kunst betrat hier einen ganz eigenen Weg.
Sie hielt sich nicht mehr an die herge-
brachten Maßverhältnisse, die ibren Werth
 
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