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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 2
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Schöninger, Artur: Der Kirchenschatz der alten Reichsstadt Ulm: zugleich ein Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Kleinkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0021

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17

ganz deutlich den Reuaissancegeschmack be-
kunden.

In der Wengenkirche finden sich keine
Kelche mehr aus gothischer Zeit, wohl
aber ein silberner, sehr schön gearbeiteter
Kreuzpartikel mit Reliquien und „Hail-
tnmb". Es ist ein Prachtstück, wohl
aus der Mitte des 15ten Jahrhunderts,
ganz von Silber, zum Theil vergoldet.
Die Vorderseite ist fast durchgängig
bedeckt mit Maßwerkornament, silbern
ans Goldgrund, reliefartig ansgeführt, die
Enden des Kreuzes mit 3 Blättern eines
Vierpasses geschlossen, in den Ecken, wo
diese znsammenlaufen, sowie in den Ecken
der Kreuzesarme sind imitirte Edelsteine
gefaßt. Die Rückseite ist geschmückt mit
Gravierungen gothischer, sich verschlingen-
der Blattornamente, enthält jedoch in den
Endpunkten halb runde, mit Glas ver-
schlossene Kapseln, in denen Reliquien
angebracht sind. In der Mitte ist der
von Engelsköpfchen getragene Kreuzpartikel.
Der Knauf ist eine Art gothischen Balda-
chins mit kleinen Fiälchen und Eselsrücken.
Der Fuß scheint mir neu angebracht zu
sein. Das Ganze ist mit Schrauben be-
festigt, hat eine Höhe von 67 cm und
eine Breite von 33 cm an den Kreuzes-
armen.

Das sind die Ueberreste des einst so
reichen Schatzes einer einzigen Stadt.
Das andere wurde zum größten Theil
schon in jener Zeit verwendet im Stenr-
haus, die Beschreibung gibt 350 Mark
Silbers an, anderes später. Ein bedeuten-
der Rest wurde nach Weyermanns hand-
schriftlichen Aufzeichnungen (ebenfalls auf
der Ulmer Stadtbibliothek) im Jahre 1784
vom Pfarrkirchenbaupflegamt ausgeschrie-
ben und versteigert. Darunter befand sich
die oben angeführte Decke über ein ge-
schriebenes Evangelienbuch mit getriebenen
Figuren, Silber unb vergoldet, vier-
silberne Monstranzen, vier silberne Ma-
rienbilder, zwei davon mit Perlen unb
Steinen, ein bischöfliches silbernes Bild
mit drei andern Figuren, ein Kruzifix
mit zwei Nebenfiguren, 5 silberne Kelche,
ein silbernes Altärlein, ein Heiligölbüchs-
lein, „die zwölf Apostel nebst dem Herrn
Christus und einem Leuchterlen", zusam-
men vierzehn Figuren, in einem schön
gemalten und vergoldeten Kästlin, silber

und vergoldet, noch wie neu, ferner Be-
standtheile anderer Kleinodien, auch ein
„Perlenmeßgürtel", ein kleiner, künstlich
gemalter und innen vergoldeter Altar,
verschiedene Reliquien und ein ganz sil-
berner Auserstehungschristns, der aber
schon vorher auf die Seite geschafft wurde,
und von dem bemerkt wird, das Volk
habe gesagt, „dieser Christus sei in den
Himmel gefahren, wo man die Münzen
mache". Das Meiste bei der Versteige-
rung soll ein Jude aus Pfersee bei Augs-
burg ersteigert haben.

Es läßt sich annehmen, daß wohl die
meisten dieser Kunstgegenstände in Ulm
selber gefertigt wurden. Nach der Re-
formation wandte sich aber beinahe die
ganze kirchliche Kleinkunst nach Augsburg.
In Ulm findet sich in der Wengenkirche
nur an einigen Buchbeschlägen der Ulmer
Stempel, das getheilte Stadtwappen, wäh-
rend die Kelche aus dem 17. und 18.
Jahrhundert sämmtlich den Augsburger
Pinienapfel tragen, mit Ausnahme eines
einzigen, der ein Münchener Zeichen trägt.
Auch in der Gegend um Ulm finden sich
in den katholischen Kirchen fast durch-
gängig nur Augsburger Erzeugnisse, und
die Formen der Augsburger Goldschmiede-
arbeiten sind so stereotyp, daß man die
Monstranzen und Kelche aus den ersten
Blick als solche erkennen kann. Wenn
auch manche Arbeiten tüchtige Meister be-
kunden, so läßt sich das Handwerksmäßige
an den allermeisten nicht verkennen. Doch
haben diese zum Theil sehr barocken
Monstranzen vor den Erzeugnissen der
neueren kirchlichen Kleinkunst immerhin
Manches voraus. Diese sind gegossen,
dadurch schwer, ja sogar unhandlich und
unbequem, während jene leicht und hand-
lich gearbeitet sind. Ich sehe ab von
hervorragenden Meisterwerken, wie die für
Riedlingen bestimmte Monstranz von Ball-
mann eines ist, die ihrer technischen
Ausführung nach vorzüglich genannt wer-
den darf. Eine Renaissancemonstranz von
ganz bedeutendem Umfang ist nicht so
schwer, wie eine von den gegossenen Bronce-
monstranzen gothischen Stils der neueren
Zeit. Bei manchen derselben ist einfach
der ganze Aufbau in einer Platte gegossen
und nur wenige Teile angeschraubt. Ein
solches Werk kann für beu ersten Anblick
 
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