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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 5
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Keppler, Paul Wilhelm von: Neue Studien über Paramentik, [5]
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Chorschranken, Lettner und Tiborien in Württemberg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0047

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43

versteifte Meßgewand ist kein Gewand mehr;
es hat sein Wesen und seine Bestimmung
vollständig verloren; aus dem Gewand sind
zwei mit einander verbundene Deckel ge-
worden, deren Zweck und Bedeutung sich
gar nicht mehr denken laßt. Sowie ferner
diese Versteifung eintritt, macht sich das
unabweisliche Bedürfniß geltend, eine
radikale Beschneidung des Gewandes vor-
zunehmen, namentlich über die Brust, weil
sonst der zwischen die zwei Bretter gesteckte
Geistliche sich nicht mehr regen kann. Die
Versteifung führt mit absoluter
Nothwendigkeit zur Baßgeige —
heute wie vor 200 Jahren.

(Fortsetzung folgt.)

Lhorschranken, Lettner und Liborien
in Württemberg.

Scheiden wir zuerst streng diese Begriffe,
die, wie wir sehen werden, mitunter stark
durcheinander gebracht wurden, und fragen
wir uns, wie die durch die obigen Ter-
mini bezeichneten kirchlichen Einrichtungs-
gegenstände aus den Bedürfnissen sich in
der ihnen eigenthümlichen Gestalt ausge-
bildet haben.

Schon in den ältesten Kirchen und nach
den ältesten Nachrichten erscheint der Altar-
raum sammt dem Presbyterium durch
Schranken (cancdli) aus Holz oder Stein,
immer mit reichem Schmuck bedacht, mit
einer oder drei Thüren versehen, gegen
das Langhaus abgeschlossen. Bereits im
zweiten Jahrhundert existirten bewegliche,
tragbare Ambonen für die Lektoren, welche
an diese Chorschranken verbracht wurden
und von welchen aus die hl. Lesungen
stattsanden. Aber von Konstantin an er-
hielt dies Lesepult eine feste Stelle und
wurde es mit den Chorschranken organisch
verbunden, frühzeitig in der Weise, daß
statt eines zwei Ambonen angebracht und
der eine für Verlesung der Epistel, der
andere für die Absingung des Evangeliums
und für die Predigt gebraucht wurde. Diese
Einrichtung sehen wir in San Elemente
in Rom, wo aber die Ambonen nicht, wie
sonst gewöhnlich, an der Vorderschranke,
sondern in der Mitte der Seitenschranken
eingefügt sind.

Eine Aenderung dieser viele Jahrhun-
derte hindurch festen Anordnung ergab sich

einmal, als man sich veranlaßt sah, die
Kanzel selbständig auszubilden und sie
weiter ins Langhaus vorzusetzen. Das
geschah in Italien ums elfte, in Deutsch-
land erst ums vierzehnte Jahrhundert. In
Deutschland hatte aber schon früher, noch
in der romanischen oder wenigstens früh-
gothischen Periode in den Kloster- und
Stiftskirchen ein anderes Bedürfniß sich
geltend gemacht. Es waren allmählig die
groß angelegten, weiträumigen und hohen
Bauten des romanischen und frühgothischen
Stils erstanden. So sehr diese gewaltigen
Kirchenanlagen der Stolz und Ruhm großer
Klöster waren, so nothwendig sie waren,
um die zu den Klöstern strömenden Volks-
massen aufzunehmen, — nach Einer Seite
erwiesen sie sich doch als unpraktisch: dem
psallirenden Konvent, der auch im Winter
und auch in tiefer Nacht sich hier zu ver-
sammeln hatte, boten sie einen vor Kälte
und Zugwind wenig geschützten Raum.
Auch gegen das andringende Volk und
gegen die Gefahr der Zerstreuung für die
Psallirenden konnten die niedrigen cancdli
wenig Schutz gewähren. Endlich mochten
sich in den hohen, gegen das weite Lang-
haus hin kaum abgeschlossenen Chören auch
akustische Schwierigkeiten ergeben. So be-
greifen wir, daß man zunächst daran
dachte, die cancdli zu erhöhen und zu
einer eigentlichen, beiläufig in der Höhe
von 4—5 m geführten Abschlußwand zu
gestalten. Es war dasselbe Bedürfniß,
die psallirenden Mönche gegen Zugwind
zu schützen, sie gegen das Laienvolk ab-
zuschließen, dem Chorgesang in den rich-
tigen Distanzen Resonanzwände zu schaf-
fen, welches dazu führte, den Chorstühlen
hohe Dorsale zu geben, letztere noch dazu,
zur Abhaltung des Zugwindes von oben,
mit sich herauswölbenden Baldachinen zu
versehen und an den Enden mit kräftigen
breiten Seitenwangenstücken, theilweise auch
mit Scheidewänden zwischen den einzelnen
Stallen, — und welches veranlaßt, die
Schutzwand gegen das Schiff hin anzu-
bringen.

Aus dieser Einrichtung ergaben sich aber
alsbald weitere praktische Konsequenzen.
Die erste war außer der Anlegung von
Portal-Durchgängen in der Scheidemauer
die Errichtung eines Altares vor derselben,
da ja dem Volk der Blick auf den Hoch-
 
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