Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Chorschranken, Lettner und Tiborien in Württemberg, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0049

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
45

gebenden archäologischen und knnsthistori-
schen Werken ausgefallen.

So wird beständig und regelmäßig die
in Maulbronn sich findende Zwischenmauer
zwischen Chor und Schiss als Lettner be-
zeichnet, und zwar gilt dieser Lettner nebst
dem in dem Kirchlein Michelsberg bei
Bönnigheim und dem im Dom von Naunw
bürg als ältester, noch aus spätromanischer
Zeit stammender. *) Nun aber ist der
Lettner auf dem Michelsberg kein Lettner,
wie wir sehen werden, und der in Maul-
bronn so bezeichnet Zwischenbau kann nur
in uneigentlichem, weiterem Sinne ein Lett-
ner genannt werden. Zum Begriff des
eigentlichen Lettners gehört doch unzweifel-
haft schon nach der Etymologie des Wor-
tes (lectoririm, Lesepult) ein erhöhter
Raum, der zum Zwecke der hl. Lesungen
besteigbar ist. Das ist aber in Maul-
bronn eben nicht der Fall; es mangelt die
Wendeltreppe zum Aufstieg, es mangelt
dem Bau auch die nöthige Breite und die
Brüstung; mit seinem stark hervortreten-
den Gesims hat er nur eine Breite von
1 m.* 2) Man sollte daher überhaupt diesen
Bau nicht als Lettner, sondern als erhöhte
Chorschranke bezeichnen, und es ist falsch,
von ihm aus Schlüsse auf das Alter des
eigentlichen Lettners zu ziehen. Die Scheide-
wand in Maulbronn hat zwei seitliche
Durchgänge, neben ihnen noch zwei einstens
mit Heiligengestalten bemalte Flachnischen
und in der Mitte eine breite rundbogige
Nische, vor welcher die Mensa stand, die
hier noch von keinem Baldachin überwölbt
ist. In den Seitenschiffen fand die Scheide-
wand in einer Steinschranke ihre Fort-
setzung ; die des südlichen Nebenschiffs wurde
abgetragen, die des nördlichen ist noch er-
halten und gegen den Chor hin mit schö-
nem Rundbogenfries geziert, wurde übri-
gens um 1400 erhöht.

Eigentliche Lettner mit besteigbarer Em-
pore haben aus der gothischen Periode in
unserem Lande noch manche sich erhalten.
Der früheste befindet sich in der Bar-
füßer- oder Franziskanerkirche
St. Georg in Eßlingen, die 1237 zu
bauen angefangen wurde; der Chor stammt

0 Ottc, Archäol. 5. A. I, 50.

2) Nach dem Grundriß der Kirche bei Pau-
lus, Die Cisterzienser-Abtci Maulbrouu 1882,
gemessen.

aus dem Ende des 13. oder Anfang des
14. Jahrhunderts; 1840—50 wurde das
Langhaus Stück für Stück abgebrochen
bis auf den Chor und den sich ihm vor-
legenden Lettner, der jetzt unter freiem
Himmel sich befindet und mit einem Pult-
dach gedeckt ist?) Wir sehen nämlich an
der ganzen Chorbogenwand hin sich eine
Reihe von sieben Arkadenbögen und sieben
kapellenartigen Räumen ziehen; diese sind
je durch eine Zwischenwand gegeneinander
und, von dem in der Mitte abgesehen,
durch eine massive Steinwand gegen den
Chor abgeschlossen; an der Stirnfläche die-
ser Trennungswände sind je drei Rund-
säulchen angebracht. Innen sind die Ka-
pellen mit einem ans Konsoleit ruhenden
Rippenkreuzgewölbe mit leerem runden
Schlußstein versehen; die beiden äußersten
haben ein Fenster, die andern erhalten ihr
Licht bloß von der Westseite. Das Trep-
penthürmchen, welches den Ausstieg auf die
Empore vermittelte, ist tticht mehr er-
halten.

Wie man sofort sieht, hat hier die Chor-
schranke mit dem Lettner, der Lettner mit
Altarciborium eine organische Verbindung
eingegangen. Die Scheidewand, welche
dem Chore Schutz und Abgeschlossenheit
vermittelte, ist mit einer Empore für die
Anagnosten und Cantoren uitd für ben
Prediger versehen; als Durchgang zum
Chor benutzte man die einzige Travee in
der Mitte unb verwendete die seitlichen zu
Altarkapellen. Da eine weitere Vermehrung
der Altäre geboten erschien, fügte man
dem Zwischenbau zwischen Chor und Mit-
telschiff seitliche Verlängerungen in die
Nebenschiffe hinein an und gewann da-
durch je zwei weitere Kapellen und eine
Empore, welche sich über alle drei Schisse
hinzieht und einen bedeutenden Oberraum
bietet.

Aehnlichkeit hat mit dieser Anlage der
Lettnerbau in Bönnigheim, OA. Be-
sigheim, von ca. 1440. Auch hier legt
sich der Lettner zunächst in den Raum
zwischen Chor und Mittelschiff, und er
nimmt in drei Traveen mit drei spitzen

i) Möchten doch die Kapellenräume mit Schutz-
gittern abgeschlossen werden, damit bie_ geradezu
skandalöse Verunreinigung derselben ein
Ende nimmt.
 
Annotationen