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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 8
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Die Vortragkreuze im Landkapitel Ravensburg, [1]
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Busl, Karl Anton: Der Bildhauer Jacob Ruß von Ravensburg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0081

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77

scheinen bald in römischer Uncialenfvrm,
bald gerundet.) Der Kruzifixus, 15 cm
hoch, mit gleicher Armweite, zeigt einen
sehr guten, fein ciselierten Guß. Das
Haupt ist ziemlich stark vorwärts und nach
rechts geneigt; das gescheitelte Haar fällt
in acht Strängen herab, vier über die
Brust, vier über den Rücken. Die Arme
laufen bis an die Ellenbogen horizontal,
dann etwas aufwärts, noch mehr die Hände.
Die Rippen treten stark hervor; auf der
rechten Seite ist auch die Seitenwnnde mit
einigen Tropfen Blutes eingraviert; die
Kniee sind nach links und die Füße nach
rechts geneigt. Letztere ruhen nebenein-
ander auf einem Suppedaneum, das mit
Einem Nagel ans Kreuz befestigt ist; in
Mitte der Füße sind die Nägel mit aus
den Wunden fließenden Blutstropfen an-
gedentet. Besonders schön ist das Lenden-
tuch. Von einem Gürtel festgehalten, über
den es vorn und an den Seiten hinauf-
gezogen ist, wallt es in schönen Falten bis
über die Kniee herab, das etwas hervor-
tretende rechte Knie umschlingend. Die

herabwallenden Hauptfalten sind wieder
durch kleinere Fältchen gegliedert. Der

'Rücken des Kruzifixbildes ist hohl, und es
befinden sich noch Reliquien darin, aber
ohne Siegel und Schrift. Das Kreuz wird
wohl etwas jünger sein, als das in Wol-
pertswende.

Auch an gothischen Vortragkreuzen
birgt das Dekanat Ravensburg eine schöne
Zahl. Während die romanischen massiv
sind, ist der Kern der letzteren aus Holz,
vorn unb rückwärts, meistens auch an den
Seiten mit Kupferblech überkleidet. Bei
fast allen sind über der Vierung durch
eingefügte Ecken größere über die Kreuzes-
arme vorspringende Quadrate gebildet. Die
Arme laufen in Vierpässe mit eingesügten
spitzigen oder rechtwinkligen Stückchen aus.
Bei sämmtlichen Kreuzen ist die Vorder-
und Rückseite mit meist reichen, schwung-
vollen Laubornamenten verziert, wobei der
Hintergrund zur Hervorhebung der Zeich-
nung meist schrassirt oder durch Punkte
mattirt ist. Auf den Vierpässen sind theils
Figuren oder Ornamente eingravirt, theils
sind Medaillons oder Kapseln mit den
Symbolen der Evangelisten darauf befestigt.

(Fortsetzung folgt.)

Der Bildhauer Jakob Nuß von
Navensburg.

Von Pfarrer Karl Anton Bnsl in Bavendorf.

Ueber diesen, unserem Schwabenland zur
hohen Ehre gereichenden Meister des aus-
gehenden 15. Jahrhunderts haben erst in
neuester Zeit archivalische zufällige Funde und
in Folge davon angestellte weitere Forschun-
gen mehr Licht verbreitet. Es hat sich heraus-
gestellt, daß in Jakob Ruß (eigentlich Ruo ß,
in den Urkunden steht ein o über dem u) der
langgesuchte Schöpfer zweier der hervor-
ragendsten kirchlichen, beziehungsweise pro-
fanen Bildwerke aus dein Ausgange des
15. Jahrhunderts, des Hochaltar es in
der Domkirche zu Chur und des Bilder-
cyklus im Rathhaussaal von Ueberlingeu,
gefunden ist. Zweck dieser Abhandlung ist,
einen Ueberblick über die durch genannte For-
schungen gewonnenen Resultate zu geben nttb
dieselben durch weitere, mir gefälligst zur
Verfügung gestellte, bis jetzt ungcdruckte Archi-
valien aus dem bischöflichen Archive iit Chur
zu erweitern, sowie einige irrige Angaben
richtig zu stellen. Ueber den Lebensgaug
Jakob Ruß' ist bis jetzt nur weniges festge-
stellt. Ob er in Ravensburg geboren
wurde, ist uuerweislich, ja nicht einmal wahr-
scheinlich. Sicher dagegen erscheint er in
der Stenerliste von 1482 als im „Pfarrhof"
wohnend und noch steuerfrei, in derjenigen
von 1497 in „der Stadt Oberthor" wohnend
und mit 4 Schilling 6 Pfennig Steuer au-
gesetzt. Fast möchte mau vermuthen, daß er
in dein erstgenannten Jahre für eine Ravens-
burger Kirche, im letztgenannten Jahre für
die Stadt arbeitete. Eine erste Nachforschung
in der Bürgerliste nach dem Namen Nuß
durch Hrn. Lehrer Hafner blieb ohne Er-
gebniß, weshalb anfangs Ruß nur als Bei-
wohner oder Hintersasse angesehen wurde.
Eine zweite Untersuchung führte auf einen
„Meister Jakob, Bildhauer," der kein anderer
ist, als Jakob Ruß. Der Eintrag lautet:
„Uff mentag nach Remimscere a. 1484 ist
maister Jakoben, Bildhower, das Burgrecht
ergeben (b. h. gegeben), vnd das hat er wie
andere geschworen zu halten." Hienach wäre
Ruß gegen 1482 nach Ravensburg gezogen
und 1484 dort Bürger geworden, weshalb
er auch in Churer Aufzeichnungen mit Fug
und Recht „Meister von Ravensburg" ge-
nannt wird.

In diesen Aufzeichnungen, die hier erst-
mals veröffentlicht werden, erscheint Ruß
zum ersten Male genannt ein Jahr nach seiner
Aufnahme in das Ravensburger Bürgerrecht,
im Jahre 1485. Das bischöfliche Archiv in
Chur verwahrt ein Rechuungsbuch vom Bi-
 
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