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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 9
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Busl, Karl Anton: Der Bildhauer Jacob Ruß von Ravensburg, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0090
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86

nicht eingeschnilten ist, die auf eine frühere
Entstehungszeit hinweisende vornehme Ein-
fachheit seiner Form vorerst mehr für ein
Zeichen der Domfabrik von Chur zu sprechen.
Indessen sei bemerkt, daß dasselbe Zeichen
zu gleicher Zeit auch als Steinmetzzeichen
nachweisbar ist.

Schließlich noch die interessante Notiz, daß
der Chnrer Hochaltar, ein Fall, der vielleicht
einzig dasteht, jedenfalls sehr selten ist, im
Hochbau sammt Predella drehbar war;
die Schienen liefen auf der Mensa. Ge-
brauch von dem Mechanismus wurde in der
Fastenzeit gemacht; die Passiousscenen auf
der Rückseite des Altares bildeten dann die
Vorderfront desselben. Jetzt geschieht das
nicht mehr, da die Vorrichtungeil verdor-
ben sind.

Wir lassen nun den Wortlaut des Ort-
lieb'schen Schiedsspruches nach einer gütigst
von denl bischöflichen Archivar Ehr. Tuor
zilr Verfügung gestellten Abschrift folgen.

Wir- Ortlieb von gottes genaden Bischove
zu Chur bekennen offenlich mit disem brieff
als sich Spenn und Irrung enntzwuschen den
edeln würdigen unseren lieben und andächtigen
herren thumbropst Dechen und gemainem
Cappitell und dero geordnetten Anwaldt herr
Cünrat von Marmels thumbdechen herr Sil-
vester Berner Schulherrn und herr Franciscus de
laporta Chuster als Buwmaister und Seckel-
maister der fabrigk unser lieben frowen da-
selbs alle an ainem und dem ersamen unse-
rem besonderen lieben maister Jacoben Russ
bildhower anders tails gehalten haben von we-
gen der Summ gelts so der gemelt maister Jacob
vermeint die jm die herrn obgemelt umb und
für das wergk der Taffell so er jnen in den
Chor dess Münsters unser lieben frowen ge-
schnitten und uffgesetzt hab geben solten /
dess sich aber siner anforderung die Chorherrn
obgemelt benilten (?)J) und dero ze geben
nit gestendig sin wollen wie dann dieselben
Spenn und jrrung mit mer anhang2) an jn
selbs gewesen sind / verer nit net3) ze melden /
dero wir uns umb baider obgemelter parthien
pitt willen mit sampt unser lieben und ge-
trüvven hannssen Yther der zitt Burgermaister
zu Chur Wilhelm Bernnegger alten Burger-
maister daselbs und anderen unseren raten
beladen Si zu gütlichen tagen für uns erfor-
derter gegeneinanderen genugsamglich und
nach notdurfft gehört haben und nachgesuch-

E „benilten" wohl verschrieben statt „benieten"
— genieten, b. i. sich er sättigen, eines Dinges
überdrüssig werden, es aufgeben; so noch heute
im Schweizerischen. Sinn: die Chorherren waren
mit der Forderung unzufrieden und verweigerten
die Bezahlung.

2) d. i. an ihnen hängt mehr von den Spä-
nen und der Jrrung; sie haben mehr Schuld
daran.

3) wohl verschrieben, statt „nit not".

tem vlis Si mit wüssender täding4) nit jn ain
mögen bringen / besonder sind Si der Sachen
uff uns und die obgemelten unser rate zu
Sprüchen körnen und haben daruff baid tail
obgemelt bi hand gegebnen trliwen gelobt
wie wir sie mit unserm sprechen entschaiden
dabi ungewaigeret zu beliben das alles war
und stett halten an all intrag Widerrede und
gewerde5) / demnach so haben wir mit rauth
unserer raten und nach unser selbs besten
verstentnus entzwüschen jnen usgesprochen in
giittigkait des ersten das aller unwill sich
enntzwüschen parthien obgemelt und jeren6)
bistenderen hier jnn bishär erloffen hiemit
hin tod und ab sin sol unnd deweder tail dem
anderen das fürbas zu argem nit mere ge-
dengken / fiirtter sprechen wir das der ob-
gemelt maister Jacob die bilde und anders
so noch zu erfüllung des wergks der tafel
mangeln fürclerlich schniden sol yedes an sin
statt setzen und die mit allen dingen geschnit-
ten gantz gemacht und gerech geben und so
wann das von jm geschieht alsdenne so sollen
die hern obgemelt jme umb und für solich
wergk und tafell mit sampt dem so er bishär
von jnen daran empfangen hatt und sich mit
erberer raitung7) erfindett fünffhundert guldin
oder ye sibenzehen Schilling und sechs pfen-
nig guter Churer müntze und werschaft8) für
ain solichen guldin gütlich und tugennlich
gegen gepürlicher quittung one verrer ver-
ziehen9) usrichten und bezalen und sol
der yetzgenantt maister Jacob die heren ob-
gemelt an der tafell noch dem maister
dem Si die zu vergulden verdingt
haben für dishin nit mer summen10) noch
jeren n) kains wegs und zu letst haben wir
gesprochen das alle spanzedell versorgnissen
oder ander verschribungen so si der sachalb
gegen ainanderen verfasst und gestelt haben
dehaine usgenommen yede parthy der ande-
ren die jeren6) über und hin ussgeben sich
derofürbas nit gebruchen sonnder die hiemit
krafftlos hin tod und ab sin sollen. Des zu
urkunt haben wir unnser secrett innsigell
offenlichen lassen hengken an diesen brieff der
geben ist in Chur uff dem zwen und zwan-
zigsten tag des monats lanuarii nach gepurt
Cristi vierzehenhundertt niintzig und ain jare.

(Das Siegel des Bischofs Ortlieb hängt) . .

Das Schuihwe r k int 1leberlinger
R a t h h a u ö.

Bis auf die neueste Zeit war die Urheber-
schaft der herrlichen Holzschnitzereien im Rath-

4) d. i. mit einsichtiger, gewissenhafter Ver-
handlung.

s) verschrieben statt geverde, Gefährde.

6) jeren = ieren: mundartlich — ihren
(Beiständern d. i. Genossen).

7) Rechnung.

8) Währung.

9) ohne ferneren Verzug.

10) verschrieben statt sümen — Hinhalten.

n) verschrieben statt „irren" — hindern, ab-
halten.
 
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