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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 11
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Keppler, Paul Wilhelm von: Rede über die Pflege der christlichen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0101

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Archiv für christliche Kunst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Oereins für christliche Kunst.

perausgegeben und redigirt von Professor Dr. Aeppler in Tübingen.

Verlag des Rottenburger Diözesan-Runstvereins, für denselben: der Vorstand Professor Dr. Rexpler.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährl. für M. 2. 05 durch die württemb. (M. t. 90
im Stuttg. Bestellbczirk), M. 2. 20 durch die bayerischen und die Reichspostanstaltcn,

>♦ j-p fl. 1.27 in Oesterreich, Fr cs. 3. 40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden tQQP

r» 11 ♦ auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags 1000.

direkt von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, llrbansstraße 94,
zum Preise von M. 2. 05 halbjährlich.

Rede über die pflege der christ-
lichen Kunst,

gehalten voll Prof. vr. Kepp ler auf der General-
versammlung der Katholiken Deutschlands
in Freibnrg 1888.

Hochgeehrte Versammlung!

Wen aus uns hätte es nicht in all den
heißen Kämpfen, in dem dissonanzreichen
Tumult der Gegenwart schon aus ganzer
Seele verlangt nach einer Stätte der Ruhe
und des Friedens, fernab vom Lärm der
Welt, unberührt vom Kampf und Streit?
— Das herrliche Münster der hiesigen
Stadt zeigt uns wie mit erhobenem Finger
einen solchen Wundergarten der Friedens,
freilich auch nicht, damit wir bloß darin
lustwandeln und uns ergötzen; auch hier
will Freude und Genuß erst erarbeitet
und verdient sein; aber dieser Garten lohnt
jede Pflege und Arbeit alsbald mit er-
frischendem Schatten, mit erquickendem Blu-
mendnft, mit reinen Freuden. Der Münster-
thurm, der mit seinem stolzbekrönten Haupte
seinen drei Brüdern in Straßburg, Köln
und Ulm grüßend zuwinkt und der zu seinen
Füßen tagenden Generalversammlung den
Gruß des katholischen Mittelalters ent-
bietet, weist uns eine Friedensstätte, den
Garten der heiligen ch r i st l i ch e n
Kunst, und gemahnt uns an unsere Pflich-
ten gegen die christliche K u n st.

Seine erste Mahnung lautet: „Was du
ererbt von deinen Vätern hast, erwirb
es, um es zu besitzen." Er heißt uns
achten auf das kostbare Erbe, welches die
Kunst unserer Väter uns vermacht hat;
er erhebt die Klage über vielerlei Vanda-
lismus, von dem er rings in den Landen
schon Zeuge sein mußte; er beschwört uns,
ein Herz zu haben für die Kunstdenkmäler
der vergangenen Jahrhunderte, sie zu be-
hüten, nicht als tobten Schatz, sondern als
geistiges Kapital, denk wir durch unermüd-

liches Forschen und emsiges Studium reiche
Zinsen abgewinnen; er mahnt uns, durch
Geistesarbeit das Ererbte zu erwerben und
so erst es zum verdienten, selbsteigenen
Besitz zu machen.

Gottlob, die Kunstgeschichte und Kunst-
sorschnng findet auch ans unserer Seite
immer eifrigere Pflege. Die Zeiten sind
vorüber, wo man die Beschäftigung mit
der Kunst als Spiel und Zeitvertreib an-
sah, oder als Arbeit für solche, die nichts
Besseres zu thun wissen, oder zu thun im
Stande seien. Unsere ganze Zeit durch-
dringt ein lebendiges Bewußtsein von der
wichtigen Stellung der Kunst im ganzen
Leben der Menschheit, und man räumt ihr
dementsprechend allmählich einen Ehrenplatz
ein in der Weltgeschichte und Kulturgeschichte.
Man ist sich allmählich klar geworden dar-
über, daß die Kunst wohl das Ornament
vorstellt am großen Bau der Jahrhunderte,
aber nicht ein äußerlich und willkürlich
angeklebtes, sondern ein organisch mit dem
Bau verbundenes, in seine Konstruktion
einbezogenes Ornament, welches Charakter,
Stil und Werth des Baues wesentlich mit-
bedingt. Das Wort, das vor Jahren der
Nestor unserer Knnstforschnng, der edle
Reichensperger, niederschrieb: „wer ein

echtes Kunstwerk wahrhaft versteht, versteht
auch die Periode, welche es schuf", — man
hat es allmählich in seiner Richtigkeit er-
kannt und sucht es zu seinem Rechte kommen
zu lassen.

Diese Werthschätzung der Kunst ist eine
vollberechtigte. Die Kunst ist in der That
die große Schlachtenmalerin in den geistigen
Kämpfen der Menschheit; sie fixiert die
Wendepunkte, sie notiert die Siege und
Niederlagen, Gewinn und Verlust derselben.
Sie ist der Riesenspiegel, der die Züge der
Zeit ausfängt und durch Rückstrahlung wie-
der Einfluß auf die Zeit gewinnt. Sie ist
der Baum, der im Boden der Zeit fest-
 
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