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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 11
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Keppler, Paul Wilhelm von: Rede über die Pflege der christlichen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0103

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99

ein Sehnen und Verlangen nach dem ent-
behrten Guten wecken und daß diese Sehn-
sucht erstarken und wachsen möchte, bis
sie sähig ist, die Mutter großer Thaten
zu werden. Und eine Freude erfüllt doch
mein Herz, und diese theilen Sie mit mir,
daß wir in Deutschland wenigstens eine
religiöse Malerschule wieder haben, gebildet
von den Söhnen des hl. Benedikt aus der
Beuroner Kongregation. Diese hl. Malerei,
aufgeblüht in der Stille und Einsamkeit
echt klösterlichen Lebens, hat uns Gott der
Herr so recht zum Tröste geschickt zu eben
der Zeit, wo die großen Meister der reli-
giösen Malerei der Reihe nach vom Tode
abberufen wurden. Wir begrüßen diese
Malerei als Morgenroth und Morgenthau,
so Gott will, eines neuen sonnigen Tages
für die christliche Kunst. Wir begrüßen
ihre Schöpfungen, auf welchen die Weihe
und der Duft der Glanbensinnigkeit der
alten Meister, der Andacht eines Fiesole,
der Reinheit der Engel liegt. Gottes Segen
über diese Malerschule und ihr ferneres
Schaffen und Wirken!

Solange wir weitere kirchliche Kunst-
schulen entbehren müssen, heißt es zufrieden
fein damit, daß wir doch eine stattliche
Reihe tüchtig geschulter, kirchlich gesinnter
und im kirchlichen Sinne arbeitender Meister
auf allen Gebieten der Kunst unser nennen
können. Nothwendig aber ist, daß immer
und in jedem einzelnen Falle die Organe
der Kirche mit allem Ernst und aller Ge-
wissenhaftigkeit ihre Pflicht wahrnehmen,
Hüter der hl. Kunst zu sein. Gestatten
Sie mir, daß ich hier mit aller Offenheit
meine Gedanken und Bedenken ausspreche.
Ich habe seit Jahren in meinem Lande und
in anderen Ländern mich zu informieren
gesucht über die Leistungen der heutigen
Kunst auf kirchlichem Gebiete. Wenn ich
ein Gesammturtheil abgeben sollte, ich müßte
nach meinem Gewissen bezeugen: Eifer,
sehr viel Eifer, guter Wille, bester Wille,
eine Opferfrendigkeit, die nicht erlahmt und
versiegt. Aber ich müßte auch beifügen:
Vielfach ein Eifer nicht nach Erkenntniß,
oftmals ein Wille ohne Erleuchtung, eine
Begeisterung ohne Klugheit.

Unsere Kunst hat großartige und muster-
gültige Schöpfungen aufzuweisen, aber sie
muß auch in Demuth viele Verirrungen, viele
Schwäche und Unvollkommenheit eingestehen.

Sie krankt noch an vieler innerer Unsicher-
heit, Ziellosigkeit und Haltlosigkeit. Daher
die Neigung, von einem Extrem in's andere
überzuspringen, von sklavischer und geist-
loser Nachahmung des Alten in thörichte
Sucht nach Originalität, von Nüchternheit,
Dürftigkeit und Armseligkeit in Uebertrieben-
heit und unsinnige Verschwendung. Darum
fehlt unfern Kirchenbanten so häufig das
Mark aller Architektur, die richtige Kon-
struktion, und die Seele aller Architektur,
die Harmonie der Verhältnisse; darum er-
mangeln unsere Kunstwerke so häufig einer-
richtigen Ausgleichung zwischen dem prak-
tischen Bedürfnis und den ästhetischen An-
forderungen der Kunst.

Nicht nörgelnde Kritik läßt mich das
aussprechen, sondern das tiefinnere Be-
wußtsein, daß hier vieles gebessert werden
muß und gebessert werden kann. Eine reich
fließende Quelle von Fehlern ist die Ueber-
eilung, das selbstmächtige Vorgehen einzelner,
die Nichteinholung des Rathes erfahrener
Männer, der dumme Stolz, der die Techniker
verleitet, nichts nach denen zu fragen, die
doch in erster Linie die Bedürfnisse der
Kirche und die Grundregeln der kirchlichen
Kunst kennen müssen, und der auf der
anderen Seite verleitet, nichts nach den
Technikern zu fragen, die doch in erster
Linie die äußeren Gesetze und Beding-
ungen künstlerischen Schaffens kennen soll-
ten. Diese Quelle vermöchte zu verschließen
die Erkenntniß, daß es ein großes und
wichtiges Werk ist um einen Kirchenbau,
daß es etwas Großes ist um einen Altar-
bau, der für viele Jahrzehnte die Wohnung
des euchariftischen Gottes, die Opferstätte
des neuen Bundes sein soll, daß hier über-
haupt das Kleine und Kleinste noch groß
und wichtig ist, weil es zum Höchsten und
Wichtigsten in nächste Beziehung tritt. Diese
Erkenntniß wird von selbst veranlassen, zu
fragen, sich zu berathen und zu orientieren,
die Pläne der kirchlichen Oberbehörde und
erfahrenen Männern zur Prüfung vorzu-
legen, ehe sie zur Ausführung gebracht
werden —, sie wird eine Menge von Fehlern
verhüten können. Nur Judasseelen können
die Verwendung und reichliche Verwendung
von Geldern und Opfern für das Gottes-
haus und den äußeren Gottesdienst uner-
laubt und anstößig finden; aber auch nur
Verrätherseelen könnten eine gewissenlose,

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