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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 11
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Eindrücke von den Münchener Ausstellungen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0110

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106

Prämiirung, die doch wohl auch vou ihr
vorgenommen wurde, erwähnt. Hierin sind
die Rathschlüsse der Kommission für den
sachverständigen so unerforschliche, daß es
mitunter rein unniöglich war, den unten am
Bild angebrachten Schild mit der Marke:
I. Medaille, II. Medaille mit dem Bild zu-
sammenzureimen. Der Sarkasmus hat sich
bald dieser Sache bemächtigt, und man pflegte
in München zu sagen: dieses Bild wäre auch
schlecht genug gewesen für die erste Medaille;
jenes hat entschieden viel Treffliches an sich,
obwohl es die zweite Medaille bekommen hat.
Unglaubliche Klecksereien wurden der Prämie
thcilhaftig, recht tüchtige Arbeiten gingen
leer aus. Hätte man nur wenigstens diese
Preisnrtcile nicht angeschrieben, dann wäre
das Kunstnrteil und das Knnstgewissen nicht
in solchem Maße irregeführt worden.

Können unter solchen Umständen andere
als trübe und traurige Vorstellungen dein
Freunde der Kunst als Reminiscenzen an
diese Ausstellung bleiben? Möchte seiner
sich nicht die Verzweiflung bemächtigen, die
alle Hoffnung ausgiebt, daß jemals die Bahn
unserer Knnstübung wieder auf eine Anhöhe
führe? Der Freund der christlichen und
religiösen Kunst wird allerdings bei Zeiten
sich daran erinnern, daß benn doch über
diesen speziellen Kunstzweig von den wenigen
religiösen Gemälden der Münchener Aus-
stellung ans ein Gesammtnrtheil nicht gefällt
werden dürfe, daß gerade unsere besten
Meister kirchlicher Malerei ans der Aus-
stellung nicht vertreten sind. Daß sie fern-
blieben, ist ihnen wahrlich nicht zu verargen;
aber der Gedanke legt sich nahe, ob es nicht
möglich und rathsam wäre, fürder bei inter-
nationalen Ausstellungen eine tüchtige Sepa-
ratansstellung religiöser Werke an demselben
Orte zu veranstalten, damit die christliche
Kunst einerseits nicht genöthigt sei, sich in
so unsaubere Gesellschaft zu begeben, anderer-
seits doch auch nicht durch ihr Fernbleiben
der irreligiösen Kunst Wort und Platz ganz
überlasse. Was die Jünger anlangt, welche
sich der religiösen Malerei zuwenden, so
könnten sie, sofern sie nicht schon ganz in
diese modernsten Jdeenkreise verstrickt sind,
lernen, vor welchen Vorbildern sie sich in
Acht zu nehmen habein Sie solleil aus den
Akademien die Technik lernen, weiter aber
sich nicht beeinflussen lassen; sie sollten in
den Akademiestädten Vereinigungen unter sich
gründen, unter Leitung eines erfahrenen
Mannes, fest sich znsammenschließen und
begeistern für die wahre, die heilige Kunst,
nach Absolvirung des akademischen Studiums
aber zu einen: tüchtigen Meister, dessen reli-
giöser Sinn außer Zweifel steht, in die j

Schule gehen und hier, nachdem sie malen
gelernt, auch christlich malen lernen.

Doch auch der Freund der Kunst über-
haupt soll trotz der traurigen Resultate der
jüngsten Ausstellung nicht verzweifeln. Als
ich schweren Herzens und trüben Sinnes
den Glaßpalast verließ, da nahte sich mir die
Hoffnung und sprach: „was dir als Tief-
punkt des Elends und der Erniedrigung
erscheint, ist der Anfangspunkt einer neuen
Entwickelung; soweit mußte es kommen, so
tief die Kunst sinken, so klar vor aller Angen
dargethan werden, daß sie, die Tochter des
Himmels und „Gottes Enkelin", im un-
sanbern Schlamm sich zu wälzen, im Koth
der Kloaken zu wühlen anfängt, sobald sie
losgerissen wird vom festen Grunde ihres
wahren Lebens; nur diese Erkenntniß konnte
die Mutter neuen Lebens werden und sie
wird es sicher." In der That, da die Kunst
tiefer fast nicht mehr sinken fanit, so wird
nach einem naturnothwendigem Gesetze in
nicht zu ferner Zeit eine neue Bewegung
und Entwickelung anheben, die aufwärts
führt. Die Impressionisten sind nach dieser
Seite wahre Wohlthäter zu nennen. In-
dem sie darauf verzichten, das Schöne dar-
znstellen und das Häßliche auf den Schild
der Kunst erheben, haben sie ein Selbstge-
ständniß abgelegt, das wie jedes Selbstge-
ständnis von guten Folgen sein wird. Die
jetzige Kunst gleicht ausfallend dem bedanerns-
werthen Hirtenmädchen, das auf einem der
traurigsten Bilder der Sammlung der Im-
pressionist Pearce zur Darstellung bringt.
Aus schmutzig grasgrüner Fläche, die aus-
sieht, als hätte man auf einigen Metern
Leinwand eine Masse Raupen zerdrückt, steht
.die Arme da, schmutzig, zerlumpt und zer-
rissen, mit geistesblödem Gesicht, vom Gefühl
und Bewußtsein der eigenen Häßlichkeit so
consternirt und innerlichst vernichtet, daß sie
sich aus den Stab stützen muß, um nicht
umzusinken. Das ist die moderne Kunst.
So haben sie die edle Jungfrau herabge-
würdigt, zuerst ihr ihr Ehrengewand vom
Leib gerissen, dann sie mit schmutzigen Lum-
pen und Fetzen bekleidet, ihr mit Unrath
das Gesicht beschmiert und ihr befohlen,
Thiere und Schweine zu hüten. Aber die
Zeit wird kommen, wo auch diese verlorene
Tochter ihres Adels und ihrer Würde sich
wieder erinnern wird; schon hat sie ange-
sangen, über ihre traurige Lage nachzndenken,
ihre Häßlichkeit schmerzlich zu empfinden;
wenn ihre Selbsterkenntnis' einmal bis zum
Willen wird dnrchgedrnngen sein, dann wird
sie zornig das entstellte und gebeugte Haupt
erheben, sie wird den Stab der Niedrigkeit,
den man ihr in die Hand gegeben, gebrauchen,
 
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