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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 12
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Keppler, Eugen: Deutschlands Riesenthürme, [2]
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Eindrücke von den Münchener Ausstellungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0115

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111

weit entfernt. Wenn bei einer dieser
Gründlingen der Wunsch, ein Denkmal
der eigenen Größe zn errichten, nicht aus-
geschlossen war, der Hauptzweck der Er-
bauer war doch und blieb: nicht sich,
sondern Gott und der Religion das höchste
Denkmal zu setzen.

So sind denn diese Thnrmriesen nach
ihrer Geschichte,und ihrem ganzen Wesen
— im geraden Gegensatz zum weiland baby-
lonischen Thurm — das mächtigste Sursum
corda, übersetzt in die Sprache des Steins,
die wahren Memnonssäulen, durch welche
ein Schmerz höherer Sehnsucht zittert.

(Fortsetzung folgt.)

Eindrücke von den Münchener
Ausstellungen.

ii.

Das Plakat und das kolorirte Titelblatt
der internationalen Genläldeausstellnng war
in gewisser Weise typisch für Geist, Richtung
uild Tendenz der dort vertretenen Malerei;
es zeigt einen aus hohein Mauerwerk mit
antikisirendem Architrav sitzelideu Jüngling
mit halb blasirtem, halb nervös-hysterischem
Gesichtsausdruck; sein Oberleib ausfallend
schlecht gezeichnet, sein wie ein Gießbach
herunterstürzendes Gewand sozialdemokratisch
roth, an seinen Schultern mächtige Gans-
slügel, in seiner Hand eine Fackel, der weniger
Licht und Flamme entwogt, als Wolken, Nebel
und Dünste, welche die schlimme Atnwsphäre
bilden, in der der Arme lebt und schwebt.
Das Katalogdeckblatt der deutsch-natio-
nalen Ausstellung war weniger phan-
tastisch , aber ebenfalls in gewissem Sinne
typisch. Demselben ist ein Schriftschild mit
einem in den nüchternsten Formen des
Rokoko gehaltenen Ornament ausgezeichnet.
In der That zeigte die Ausstellung, wie das
Rokoko im heutigen Kunstgewerbe ausäugt,
ein verzogenes und verzärteltes Kind zu
werden, so daß es nicht unmöglich wäre,
daß eines Tages seine ernstere Schwester
Renaissance gegen sie in Aschenbrödelstellung
zurückgedrängt würde. Man weiß nicht
recht, was daraus noch werden soll. Konnte
man die Rückkehr zur italienischen und deut-
schen Renaissance in der Prosankunst nach
den laugen Zeiten der Stillosigkeit freudig
begrüßen, so wäre es nun doch mehr als
bedenklich, wenn in so raschem Laus alle
Etappen der Spätrenaissauce, des Barock,
und Rokoko durchlaufen würden; schließlich

stände mau daun eben wieder vor demselben
Abgrund, in welchem schon einmal aller Stil
und Stilsinn untergieng. Auch die uner-
müdliche Nachahmungslust und die Bebentenb
gewachsene Nachahmungsfertigkeit hat ihre
bedenkliche >seite; mau ahmt ohne Auswahl
nach und oftmals ohne allen praktischen
Sinn und ohne auch nur zu fragen, ob dies
oder jenes irgend Hoffnung haben könne,
sich in unser modernes Leben wieder einzu-
bürgeru. Wie manche von den ausgestellten
Zimmereinrichtungen waren weder schön noch
praktisch; was soll dann aber das Prädikat
„stilgemäß" noch für einen Werth haben?
Und wie manche zeigten eine theure, ge-
suchte und mauierirte Nachäffung der alten
Einfachheit und Naivetät und befanden sich
damit in einem unleidlichen Widerspruch mit
sich selbst; denn das Naive ist nicht gesucht
und das Mauierirte ist nicht naiv, und das
Einfache und Volksthümlich - Schlichte sollte
eben nicht mit dem Preis von Kuustleistuugen
bezahlt werden müssen.

Doch wenden wir uns zu den ausgestell-
ten Leistungen des kirchlichen Kunst-
Handwerks. Sie waren ihrer Mehrzahl
nach in einem sehr würdigen, kapellenähn-
liche Raum vereinigt, in welchem eine statt-
liche Zahl von Altären, Bildwerken, Vitrinen
sich nur fast zu sehr aneinander drängten.
Die Altäre, um mit diesen Hauptwerken
zu beginnen, zeigten im allgemeinen eine
recht lobenswerthe Kenntniß der betreffenden
Stilformen, besonders der gothischen, eine
tüchtige technische Durcharbeitung und ein
lebendiges Gefühl für Ornameutation. Wor-
an es hauptsächlich fehlte, das war die
Konstruktion und der richtige tektonische Auf-
bau. Neben dem Formenreichthum sah man
an sehr vielen Altären eine große Armut au
großen, ich tvill nicht sagen originellen,
sondern nur richtigen und gesunden konstruk-
tiven Gedanken. Bei den gothischen und
noch mehr bei den romanischen Altären
herrschte das mechanisch reproduzirte, nicht
geistig verarbeitete Kastenmotiv: ein Mittel-
kasteu, rechts und links ein Seitenkasteu
und oben noch ein Kästchen, je mit Skulpturen
beseht; diese Kästen sind oft recht kasten-
mäßig behandelt und zu allem hin nicht ein-
mal organisch gut verbundeil, sondern ledig-
lich an einander gelehnt und geschraubt oder
durch wahre Verlegenheits-Zwischenstücke in
Beziehung zu einander gebracht. Sehr auf-
fällig war an manchen Altarbauten die
schlechte kraftlose Ausbildung der konstruktiv
wichtigsten Theile, wie z. B. der Gesimse.
Die Skulptur, die in der Ornamentik so
Tüchtiges und Feines zu leisten weiß, ist im
Figürlichen zu einem sehr tiefen Grade der
 
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