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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 12
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Eindrücke von den Münchener Ausstellungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0116

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112

Schwäche und Ohnmacht herabgesunken und
eine geschmacklose und gefühllose Polychro-
mirung läßt ihre oft kaum anatomisch richtigen,
geschweige zn geistigem Sinn und religiösem
Ausdruck gediehenen Gebilde in ihrer gan-
zen Armseligkeit erscheinen. Sehr viel läßt
auch zu wünschen übrig endlich die poly-
chrome Haltung der Altäre selbst; es zeigt
sich hier in Herrschaft die Münchener „Neu-
traltinte", jene seltsame, mischfärbige, stein-
graue Grundirung, mit der das ganze Holz-
werk überzogen wird; daneben tritt noch
Vergoldung auf, meist in Massen aufgetragen
und nur selten mit farbigem Ornament ver-
bunden. Diese Art der Ornamentation ist
viel mehr geeignet, die Architektur um Geist
und Leben zu bringen, als sie zu beleben und
günstig hervorzuheben. Eichenholz wird durch
die Neutraltinte geschändet und verdorben; es
bedarf keiner farbigen Grundirung, sondern
wirkt am besten durch seine noble Natur-
farbe, sobald es durch Schliss, Politur oder
Wachs einigermaßen veredelt worden. Tan-
nenholz bedarf eines Anstrichs, der aber nicht
darauf angelegt sein soll, Holz tvie Stein
erscheinen zu lassen, sondern der dem unedlen
Holz das Aussehen einer edleren Holzart
geben soll. In Verwendung des Goldes
huldigen unsere Meister immer noch sehr dem
sogenannten Bauerngeschmack; sie lassen das
Gold für sich allein in rohen Massen protzig-
anspruchsvoll auftreteu, sie tauchen ganze
Tabernakel und ganze Altäre in ein Gold-
bad ein. Der feinere Geschmack wird bei
Holzarbeiten das Gold immer mit Maß-
haltung und Sparsamkeit in Verwendung
bringen und für die Regel nie ohne einen
reichen Hofstaat von Farben, die erst das
Gold in seiner Herrlichkeit erscheinen lassen
und vom Gold in ihrer Wirkung gesteigert
werden.

Am meisten fordern wohl die Kritik heraus
die romanischen Altarbauten. Mit Aus-
nahme eines bloß aus Mensa, kleinem Taberna-
kel und Leuchterstufen bestehenden gilt gebauten,
nur in der Ornamentik etwas herben und
allzu th euren (5000 Mark) Marmoraltars
von Kiefer in Kiefersfelden bekannten
sich alle $um „wildromanischen" Stil, der in
der That mit dem eigentlich romanischen
fast nichts mehr gemein hat. So der Altar
von Hof manu in München mit großer
Kreuzgruppe in der Mitteluische und mit
zwei Seitennischen, der übrigens reicher und
delikater Ornamentik sich erfreut; sein Haupt-
fehler ist, daß der Tabernakel gar nicht or-
ganisch eingegliedert ist, ein Hauptfehler seiner
Ornamentik, daß die Holzfäulen ä la Mar-
mor angestrichen, zwei gar in blauer Lapis-
Lazuli-Farbe prangen und der Hintergrund hin-

ter dem Kreuzbild ebenfalls den Marmor uach-
zuässen sucht. Daß bei der Darstellung vonMel-
chisedechs Opfer auf dem Altar ein Feuer loht, ist
eine jener Gedankenlosigkeiten, wie sie unserer
heutigen Bildnerei vielfach begegnen. Noch
gewaltigeren Hochbau zeigte ein Altar von
Kraft in Fr ei sing; die Konstruktion
macht hier keinen Anlauf, das Kastenmäßige
zu eliminiren; weite öde Flächen schreien
vergebens nach Ornament und Farbe; die
riesigen Haupt- und Nebenkästen schließen
nicht einmal mit einem kräftigen Gesims ab;
die Neutraltiute macht alles sad und geist-
los; das große Hauptbild der Mittelnische
stellt St. Vitus dar, der vor Diokletian in
Gegenwart von Crescenz und Modestus
seinen Glauben bekennt; das Kind steht in
theatralischer Haltung da, sein Gewand hat
zöpsische Art; die Fassung der ganzen Skulp-
tur ist herb und grob. Diesen romanischen
Altären gesellten sich ein Hochaltar, eine
Kanzel und ein Beichtstuhl dieses Stiles zu
in der elsäßischen Abtheilung, von Böhm
in Mühlhausen. Die Arbeiten imponi-
ren auf den ersten Blick, namentlich wegen
der guten Behandlung des Holzes und der
überall zu Tag tretenden sorgfältigen und
liebevollen Durchbildung. Aber dem zweiten
und den weiteren Blicken verraten sie als-
bald ihre gewaltigen Fehler und Charakter-
schwächen, welche das Ornament vergeblich
zu maskiren sucht; hier waltet eine Stil-
mengerei ohne gleichen, ein willkürliches
Spielen mit Formen, ein Haschen und Su-
chen, welches zu keinem einzigen ruhigen
und guten Gedanken kommt; wie nüchtern
und armselig zu beiden Seiten der Mittel-
nische die leeren Blendnischen, bloß mit
kümmerlichem Maßwerk ausgestattet! Wie
-gesucht und wirkungslos der obere Abschluß
mit seinem Gewimmel von Festungsthürm-
cheu! Der Beichtstuhl mit seiner übel an-
gebrachten, verschwenderischen Pracht und
die ebenfalls sumptuöse Kanzel zeigen den-
selben akademisch versteiften Stil, der weder
die Kraft und Majestät des romanischen
zeigt, noch auch Schwung und Anmut.

Die brennende Frage der romanischen
Altäre ist, das lehrt diese Ansstellung, in
den letzten Zeiten um gar nichts weiter ge-
fördert worden. Solange man es auf Hoch-
bauten absieht, die selbst die Altäre der
Zopfzeit nach unter sich lassen, wird sie auch
nicht weiter gefördert werden können. Doch
ehe wir zu den gothischen Altären übergehen,
müssen wir noch ein sehr schönes Zimmer-
altärchen von I. Marg graf in Mün-
chen romanischen Stils erwähnen, durchaus
tüchtig im Aufbau, fein und zierlich in Or-
namentik und Farbe und vorzüglich in den
 
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